Jüchen Frauen im Gemeinderat immer noch eine Rarität

Jüchen · Rosi Bruchmann (72) hat sich politisch emanzipieren müssen und ist eine von nur fünf Frauen im Gemeinderat: Da ist noch Luft nach oben.

 Die 72-jährige Rosi Bruchmann ist ein SPD-Urgestein und setzt sich für mehr Frauen in der Politik ein.

Die 72-jährige Rosi Bruchmann ist ein SPD-Urgestein und setzt sich für mehr Frauen in der Politik ein.

Foto: Lothar Berns

Frauen sind in Jüchens Politik rar: Gerade mal fünf Frauen gibt es im Gemeinderat, jeweils eine bei CDU, Grünen und FWG, zwei bei der SPD. Rosemarie (Rosi) Bruchmann ist eine von beiden und ein echtes sozialdemokratisches Urgestein. Die 72-Jährige hat Willy Brandt kennengelernt und ihre politische Arbeit von der Pike auf gelernt. Noch heute besucht sie Seminare. Rosi Bruchmann erinnert sich aber auch an Zeiten, "als Frauen wählten, was ihr Mann ihnen sagte", erzählt sie. Und als sie mit 16 Jahren ihren damals 18-jährigen Ehemann heiratete, da wurde dieser als mündig erklärt - damals lag die Volljährigkeitsgrenze bei 21 Jahren. "Und die Männer konnten ihren Frauen vom Gesetz her sogar verbieten, arbeiten zu gehen", blickt Bruchmann zurück.

Die gelernte Schneiderin studierte außerdem Design an der Modeschule in Düsseldorf und betreibt ihr eigenes Schneidereigeschäft in Jüchen: "Mein Geschäft ist ein halbes Politikbüro. Da kommen den ganzen Tag Bürger hin, die ein Anliegen haben", freut sich die Ratsfrau. So richtig ins politische Leben sei sie aber erst nach dem Tode ihres Mannes vor 14 Jahren eingestiegen, berichtet die Witwe, Mutter von zwei Söhnen. "Ich habe die politische Arbeit meines Mannes weitergeführt", sagt sie.

Die Basis dazu hatte aber bereits ihr Schwiegervater Erich Bruchmann aus Hochneukirch gelegt: "Als junge Frau hat er mich oft mit nach Bonn genommen. Da haben wir die Sitzungen im Bundestag mitverfolgt. Und ich habe Willy Brandt kennengelernt", erzählt die Sozialdemokratin und gibt zu: "Ich habe mir auch ein Autogramm geben lassen."

Mittlerweile fühlt sich Rosi Bruchmann nicht nur politisch emanzipiert, sie setzt sich auch als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) auf Kreisebene für Frauenrechte und -themen ein. Über den Landesverband der AsF werden Anträge beispielsweise zu einem Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für Kinder eingebracht, wie Bruchmann berichtet. Die Kitaplätze seien schließlich immer noch nicht bedarfsgerecht auf die Arbeitszeiten der Mütter oder der Familien eingestellt. Ein Thema, das Rosi Bruchmann besonders am Herzen liegt, ist eine barrierefreie Umgebung für Behinderte. Als Mutter eines sehbehinderten Sohnes sei sie früh für das Thema sensibilisiert worden: "Und wir sind in Jüchen noch weit davon entfernt, barrierefrei zu sein", betont die Kommunalpolitikerin und nennt ein Beispiel: "Barrierefreiheit darf nicht nur aus Sicht der Rollstuhlfahrer betrachtet werden. Wir müssen auch an diejenigen denken, die seh- oder hörbehindert sind. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir bei der neuen Kita in Otzenrath daran denken, Induktionsschleifen einzubauen", sagt sie und meint damit Übertragungsmöglichkeiten für schwerhörige Kinder.

An Betätigungsfeldern und Themen mangele es nicht, aber Frauen müssten sich auch heutzutage ihre politische Mitsprache und Mitarbeit noch regelrecht erobern, hat Bruchmann in den vergangenen Jahren erlebt. Da sei ihre eigene Fraktion nicht ausgeschlossen, wie sie zugibt. Und auch Damen anderer Gemeinderatsfraktionen sollen sich dem Vernehmen nach manchmal als Quoten-Frauen fühlen. Doch Rosi Bruchmann hat in den zurückliegenden Jahren eines gelernt: beharrlich und zielgerichtet weiter zu machen.

(NGZ)
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