Jüchen Ertasten blinde Frauen den Brustkrebs besser?

Jüchen · Discovering Hands-Mitarbeiterin stellt Tastmethode in Jüchen vor. Skeptiker warnen vor falschen Versprechungen und Erwartungen. Es gibt bisher keine Studien, die den Erfolg dieser Methode belegen.

 Eine blinde Mitarbeiterin von Discovering Hands tastet die Brust einer Frau nach möglichen Anzeichen auf Krebs ab.

Eine blinde Mitarbeiterin von Discovering Hands tastet die Brust einer Frau nach möglichen Anzeichen auf Krebs ab.

Foto: Discovering Hands

Brustkrebs gilt als die häufigste Todesursache bei Frauen: Deshalb haben die Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde Jüchen eine Mitarbeiterin der Organisation Discovering Hands zu einem Vortrag eingeladen. Blinde und schwerst sehbehinderte Frauen werden für Tastuntersuchungen der weiblichen Brust ausgebildet. Wegen ihrer Behinderung sollen sie sensiblere Tastfähigkeiten als sehende Frauen haben.

Da das von den Krankenkassen finanzierte Mammographie-Screening erst ab 50plus finanziert wird, gibt es für jüngere Frauen nur die Tastuntersuchung als Früherkennungsmaßnahme. Discovering Hands-Mitarbeiterin Katrin Kasten soll wegen ihrer starken Sehbehinderung über einen besonders ausgeprägten Tastsinn verfügen. Sie hat eine neunmonatige Qualifizierung absolviert und ist im Brustzentrum des Klinikums Leverkusen unter ärztlicher Aufsicht tätig. Katrin Kasten möchte interessierten Frauen aus Jüchen und Umgebung diese besondere Untersuchungsmethode vorstellen, die auch bereits von einigen Krankenkassen finanziert werde, und die Fragen der Teilnehmerinnen beantworten. Allerdings warnen Skeptiker vor falschen Versprechungen, die sich unter Umständen aus der Methode von Discovering Hands ableiten lassen. Eine der bekanntesten Gegnerinnen ist die Freiburger Professorin Eva-Maria Bitzer. Sie unterrichtet Medizin- und Gesundheitspädagogik und gilt als Expertin für Früherkennungsuntersuchungen. Sie warnt vor falschen Versprechungen und Erwartungen, die durch die Discovering-Hands-Methode zumindest indirekt entstünden. "Aus meiner Sicht ist es zynisch, den Eindruck zu erwecken, dass dabei mit Blinden etwas Gutes getan wird", sagt Prof. Bitzer im Gespräch mit unserer Redaktion. Durch diese Methode werde kein einziges Leben gerettet und kein einziger Brustkrebs frühzeitig erkannt - denn es gebe bislang keinerlei Studien, die diese Methode bestätigten. Klinisch sei es zwar durchaus möglich, dass Blinde beim Betasten der Brust sensibler vorgingen, räumt die Expertin ein. Zugleich warnt Eva Bitzer aber vor dem verhängnisvollen Rückschluss, dass kein Tastbefund auch zugleich kein Brustkrebsbefund sei. Im Gegenteil: Sogar das technisch ausgefeiltere und fachärztlich begleitete Mammographie-Screening habe nur einen "kleinen Nutzen", meint Bitzer. Dazu gebe es eine Vielzahl von Studien und Strömungen in der Wissenschaft sowie auch eine Studie der Stiftung Warentest, berichtet die Professorin.

Bitzer kritisiert bei der Discovering-Hands-Methode vor allem auch, dass die Frauen nach möglichen Befunden viel öfter zu Mammographien und so zu belastenden Untersuchungen geschickt würden. Während es unter den Medizinern auch absolute Gegner der Tastuntersuchung und des Mammographie-Screenings gebe, würde Bitzer zumindest einen geringen Nutzen in der Tastuntersuchung sehen. Den sähe sie aber nur, wenn diese einer ständigen Qualitätskontrolle, Weiterbildung, fachärztlichen Begleitung und wissenschaftlichen Dokumentation unterzogen würde. Deshalb kritisiert die Expertin, dass die Discovering-Hands-Methode vom NRW-Gesundheitsministerium gefördert wird.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort