Jüchen Erinnerung an jüdische Soldaten aus Jüchen

Jüchen · Heimatforscher Jürgen Kiltz (70) hat über zehn Männer jüdischen Glaubens recherchiert, die im Ersten Weltkrieg gekämpft haben.

 Der Jüchener Heimatforscher Jürgen Kiltz hält nach seinen Recherchen am Montag einen Vortrag zum Schicksal jüdischer Soldaten.

Der Jüchener Heimatforscher Jürgen Kiltz hält nach seinen Recherchen am Montag einen Vortrag zum Schicksal jüdischer Soldaten.

Foto: A. Woitschützke.

In den Jahren von 1914 bis 1918 sind sie für ihr Land in den Krieg gezogen - später wurden sie verfolgt, zum Teil ermordet, 1939 waren ihre Namen vom Ehrenmal gestrichen worden. Nun erinnert ein Jüchener an jüdische Soldaten des Ersten Weltkrieges. Heimatforscher Jürgen Kiltz hält am Montag, 5. März dazu einen Vortrag im Haus Katz. Knapp 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs will Kiltz an diese Menschen erinnern. Er möchte ihnen einen Namen geben - auch vor dem Hintergrund, dass sie bereits im Krieg diskriminiert und schließlich von den Nationalsozialisten verfolgt, zum Teil deportiert und ermordet wurden.

Der Vortrag "Ausgemerzt! Und vergessen?" ergänzt eine Reihe von Vorträgen, die der pensionierte Lehrer bereits hielt. Bekannt ist Kiltz, der in Romanistik promovierte, auch durch die Veröffentlichung von fünf Büchern, die allesamt Teile der Geschichte der Gemeinde Jüchen zum Inhalt haben.

Auf die jüdischen Soldaten aus Jüchen, die im Ersten Weltkrieg gekämpft haben, ist der 70-Jährige durch Zufall aufmerksam geworden: "Ich bin bei der Recherche zu einem anderen Projekt im Gemeindearchiv auf ein altes Dokument gestoßen. Es datiert aus dem Jahr 1939", erzählt Kiltz. Darin habe der damalige "Amtsbürgermeister" Wilhelm Neuss veranlasst, dass die Namen zweier gefallener jüdischer Soldaten auf dem Krieger-Ehrenmal am Jüchener Friedhof überstrichen werden sollen. Das Thema hat Kiltz nicht mehr losgelassen: Er recherchierte weiter und fand heraus, dass insgesamt zehn Männer jüdischen Glaubens zum Teil freiwillig in den Ersten Weltkrieg gezogen waren.

Kiltz möchte aus drei Gründen an die von der Tafel am Ehrenmal gestrichenen Gefallenen sowie an die acht weiteren jüdischen Soldaten aus Jüchen erinnern. "Zum einen wurden sie bereits 1916 diskriminiert. Auf aus antisemitischen Kreisen gestreute Gerüchte, jüdische Soldaten seien Drückeberger, folgte eine Erhebung, wie viele jüdische Soldaten im deutschen Heer kämpften. Diese Erhebung wurde nie veröffentlicht, was für weitere Gerüchte sorgte", sagt Kiltz, der davon ausgeht, dass sich jüdische Soldaten im Ersten Weltkrieg als "Menschen zweiter Klasse" gefühlt haben dürften. Darüber hinaus hieß es in der sogenannten Dolchstoßlegende, in der die Oberste Heeresleitung die Kriegsniederlage mit der Behauptung abzuwälzen versuchte, dass auch Juden für diese mitverantwortlich seien. "Ein weiterer Grund ist die Streichung der Namen vom Ehrenmal", sagt Kiltz. Das Ehrenmal auf dem Jüchener Friedhof sei heute in erster Linie ein symbolisches; Namen tauchten dort nicht auf. "Es gibt bis heute nichts, das an das Mitwirken jüdischer Soldaten im Ersten Weltkrieg erinnert."

Walter Lazarus, Sohn eines Jüchener Fruchthändlers, starb mit nur 18 Jahren 1914. Der Viehhändler Jakob Levy starb mit 44 Jahren im Dezember 1919 an den Folgen einer Verwundung. Kiltz fand heraus, dass es ihre Namen waren, die 1939 vom Ehrenmal gestrichen worden sind. Acht weitere Soldaten überlebten den Krieg - und mussten zum Teil später vor Verfolgung flüchten. Einige wurden deportiert und ermordet; mindestens zwei sollen Kiltz' Recherchen zufolge den Holocaust überlebt haben und 1962 beziehungsweise 1972 gestorben sein

(cka)
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