Jüchen Ein Software-Spezialist als Hobby-Cowboy

Jüchen · Tim Jansen programmiert virtuelle 3D-Rundgänge in Städten. Doch abseits der digitalen Welt ist er Deutschlands bester "Ranch Roper".

Es gibt Viehzüchter, die treiben ihre Herde mit Autos, Quads oder sogar Hubschraubern über die Weide. "Aber das ist völlig unnötig", sagt Tim Jansen. "Das Lasso ist ein Medium, um mit den Tieren zu kommunizieren, das schont die Ressourcen."

Der 34-Jährige braucht dafür lediglich ein Seil, Geschick und das, was redensartlich nur Frauen vorbehalten ist. "Die Fähigkeit für Multi-Tasking", sagt der 34-Jährige. "Also mehrere Sachen gleichzeitig können", sagt er und lacht. Er muss auf dem Sattel nicht nur das Tier beherrschen können, sondern neben dem Gleichgewichthalten die Herde im Auge behalten und einhändig das Lasso so schwingen, dass es sich sanft und zielgenau um den Hals eines Pferdes legt. Reinste Körperbeherrschung.

Und kaum einer kann das so gut wie Jansen. Er ist Vize-Europameister im "Ranch Roping" (der US-amerikanische Begriff für Lassowerfen). Etwa 30 verschiedene Würfe hat er sich antrainiert. Ob mit Links oder Rechts, aus dem Handgelenk oder blind mit dem Rücken zum Tier. Es gibt kaum eine Situation, aus der Jansen nicht das Ziel trifft. Zuletzt zeigte er sein Können mit seinem gegründeten "Ranch Roping-Team" - ein Zusammenschluss aus etwa zehn "Ropern" - auf der Equitana in Neuss. "Wir wollten mit der Teilnahme auf unseren Sport aufmerksam machen, um Gleichgesinnte zu finden", sagt Jansen. Trainieren kann er täglich auf dem Hof seiner Eltern - dem "Patch of Heaven", wo Kinder an Pferde herangeführt werden.

Doch bis Jansen so perfekt mit dem Lasso umgehen konnte, war es ein langer Weg. Er entdeckte zunächst mit etwa elf Jahren seine Liebe zu Pferden, als seine damals sechsjährige Schwester ein Pony geschenkt bekam. "Reiten wurde dann schnell zur Leidenschaft" sagt Jansen, der bis zu seinem 20. Lebensjahr ständig ausritt. Nach dem Besuch des Berufskolleg für Technik und Medien in Mönchengladbach wollte der ehemalige Schüler der Wickrather Realschule aber raus aus der kleinstädtischen Welt und ging zunächst an die Fachhochschule für Medientechnik in Nürnberg, wo er auf Diplom studierte. Dass er auf den heimischen Hof in den Schoß der Familie zurückkehrte, ist bloß einem schmerzhaften Unfall zu verdanken. Im Winterurlaub in Österreich brach Jansen sich beim Snowboarden das Schulterbein, weshalb er den Rest seiner Ferien mit eingegipsten Arm in Schaan verbrachte. "Und dann sah ich dieses Seil im Stall", erinnert sich Jansen. Es entpuppte sich als echtes Roping-Seil, versetzt mit kleinen Bleikügelchen, was die Flugeingenschaft erheblich verbessert. "Ich habe die ganze Zeit damit geübt, mir Videos bei Youtube angeguckt, und entdeckt, dass es eine richtig große Szene in den USA gibt", sagt Jansen. Das Lasso-Seil war fortan sein ständiger Begleiter.

Hauptberuflich ist Jansen zwar Software-Entwickler, verbringt also mehr als den halben Tag am PC in der digitalen Welt, um beispielsweise virtuelle 3D-Rundgänge durch Städte zu programmieren. Aber: "Ich muss täglich auch mindestens vier Stunden die Tiere betreuen", sagt Jansen. Da kommt natürlich auch das Lasso zum Einsatz. Und natürlich wird er auch für die nächste Europameisterschaft üben. Die findet in Österreich statt. In dem Land, wo er sich einst verletzte, was ihn erst zu seinem Hobby führte.

(NGZ)
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