Städtepartnerschaft Der Monat September In Etaples Zuckerrüben-Ernte rund um die Uhr

Hückeswagen · Einmal im Monat beleuchtet unsere Redaktion das Geschehen in Hückeswagens Partnerstadt Etaples und der Region. Aktuell wird in Nordfrankreich die Zuckerrübenernte eingebracht. Allerdings müssen sich die Bauern auf Veränderungen einstellen.

 (() Die Zuckerrübenernte in der Gegend von Etaples, der Partnerstadt von Hückeswagen, ist derzeit in vollem Gange. (&) Aus dem gewonnenen Zucker werden unter anderem "Bêtises de Cambrai" oder "Chuques du Nord" - traditionelle Karamellbonbons - hergestellt, die in hübschen Dosen verkauft werden.

(() Die Zuckerrübenernte in der Gegend von Etaples, der Partnerstadt von Hückeswagen, ist derzeit in vollem Gange. (&) Aus dem gewonnenen Zucker werden unter anderem "Bêtises de Cambrai" oder "Chuques du Nord" - traditionelle Karamellbonbons - hergestellt, die in hübschen Dosen verkauft werden.

Foto: Urban (DDP) /(Bornkessel

etaples Sie heißen "Bêtises de Cambrai" oder "Chuques du Nord" und werden in hübschen kleinen Dosen verkauft, wobei man in Etaples und Umgebung unter dem Begriff "chuque" Zucker versteht - es sind traditionelle Karamellbonbons mit Minzgeschmack oder mit weicher Füllung und einer Spur von Kaffee. Der Rohstoff für den allgegenwärtigen Zucker in Süßigkeiten oder Limonade, Gebäck und Fertiggerichten ist bei den Freunden in Nordfrankreich jetzt Tagesgespräch, denn Mitte September hat in der Partnerstadt die Rübenkampagne begonnen.

Bis in die Nacht brausen Anhänger vollbeladen mit den Knollen zu den vier großen Raffinieren in der Region Hauts-de-France. Eine davon liegt an der Canche, kaum zehn Kilometer von Etaples entfernt im Örtchen Attin, wo die Förderbänder bis in den Winter hinein nicht stehenbleiben werden. Mehr als 50 Prozent der nationalen Zuckerproduktion kommt aus Nordfrankreich, wo diese Agrarindustrie eine lange Geschichte hat.

Schuld daran war - wie so oft - Napoleon, gegen den die Engländer einst mit Export-Verboten einen Wirtschaftskrieg führten: Rohrzucker von ihren Farmen in der Karibik durfte nicht länger nach Frankreich gelangen. Da kam die Erfindung eines deutschen Hugenotten gerade rechtzeitig für das Kaiserreich: In Schlesien hatte Franz Carl Achard ab 1802 aus dem Saft von Runkelrüben Zucker raffinieren lassen, eine Alternative zum Rohrzucker. Von nun wurde Zucker für jeden erschwinglich. Die nordfranzösischen Bauern lebten recht gut vom Rübenanbau, denn eine Industrie mit weit mehr als 300 Raffinerien entstand.

Doch nicht nur die gute Rübenernte dieses Jahr ist bei den französischen Nachbarn Tagesgespräch, denn seit Anfang Oktober kommen auf die Bauern und die Zuckerindustrie in der EU große Veränderungen zu. Wie dies schon vor zwei Jahren bei der Milch geschah, hat die Gemeinschaft für ihre Mitgliedsländer die Preisbindung für Rübenzucker aufgehoben. Seit 1968 waren regelmäßig Mindestpreise für Erzeuger und Verarbeiter festgelegt worden, für den Anbauer zuletzt auf garantierte 25 Euro pro geerntete Tonne. Diese Sicherheit fällt jetzt weg.

Dänische und polnische, aber auch deutsche und französische Landwirte sowie die großen Zuckerproduzenten müssen damit rechnen, dass nun freie Preise, liberalisierte Anbaupolitik und neue Exportmengen auch zu erheblichen Ertragseinbußen führen können. Doch darauf hat man sich vorbereitet: Die Anbauflächen für Rüben wurden in Frankreich vergrößert, so erwartet die Industrie dort in dieser Saison einen Ertrag von fast 44 Millionen Tonnen - zehn Millionen mehr als vergangenes Jahr. Unternehmen wie der Marktführer "Tereos" in Nordfrankreich, zu dem die Raffinerie Attin in der Nähe von Etaples gehört, rechnen mit einem Produktionsanstieg von 20 Prozent. Deutsche Züchtungsunternehmen arbeiten daran, ertragreichere und gegen Pilzbefall resistente Sorten zu entwickeln. Auch sie haben eine Ertragssteigerung von 25 Prozent im Visier.

Für die entsprechenden Absatzmöglichkeiten bleibt ein Risiko. Denn der Weltmarktpreis für Zucker ist an den US-Börsen um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen. Die EU weiß ihre Mitgliedstaaten jedoch vor billigen Einfuhren aus Übersee zu schützen: 85 Prozent des hiesigen Verbrauchs müssen aus eigenem Anbau kommen. Auf Dauer ist die Zuckerproduktion außerhalb des europäischen Agrarmarktes starken Schwankungen unterworfen, was auch die Preise beeinflusst. Dem will man nun mit größeren Exportmengen und besserer Transportlogistik begegnen.

Mit großer Hoffnung also hat die Rübenkampagne im Norden Frankreichs begonnen. Und wenn mancher Autofahrer sich unterwegs zwischen den Rübenfeldern über erdverdreckte und glitschige Straßen aufregt: Ein Griff in die Dose zu einem Klümpchen "chuque" oder einer "bêtise" dürfte ihm die Ungemach versüßen.

(RP)
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