Mord an Taxifahrer in Wipperfürth Angeklagter: "Eigentlich tut es mir leid"

Hückeswagen · Der Mann, der im vergangenen August einen Taxifahrer in Wipperfürth niedergestochen haben soll, äußerte sich am Dienstag vor dem Kölner Landgericht. Warum stach er zu?

 Nach der Tat legten Menschen am Wipperfürther Marktplatz, dem Ort des Geschehens, Blumen nieder.

Nach der Tat legten Menschen am Wipperfürther Marktplatz, dem Ort des Geschehens, Blumen nieder.

Foto: Hertgen, Nico

Richter Peter Koerfers hält ein Bild des Getöteten in die Luft. Der Körper ist blutüberströmt, er hat Einstiche an der Brust, unter dem Arm und eine lange Schnittverletzung am Hals. Der Richter blickt zum Angeklagten. "Welche Gedanken hatten Sie beim Zustechen?", fragt er. "Keine", sagt der junge Mann. "Ich denke bei sowas nicht nach", hatte er einige Minuten zuvor auf dieselbe Frage geantwortet.

Am Dienstag äußerte sich der Mann vor dem Kölner Landgericht, der am 16. August vergangenen Jahres auf dem Marktplatz in Wipperfürth einen 63-jährigen Taxifahrer mit 20 Stichen erstochen haben soll. Das Gericht wirft dem zur Tatzeit 22-Jährigen Mord aus Heimtücke vor, weil sein Opfer die Attacke nicht kommen sah. Am ersten Verhandlungstag vor knapp drei Wochen hatte sich der junge Mann, der derzeit in einer psychiatrischen Einrichtung in Essen untergebracht ist, nicht äußern wollen.

Mann zeigt kaum Reue

Jetzt sitzt der 23-Jährige wieder auf der Anklagebank. Er trägt eine College-Jacke ohne Kragen, sein Kopf ist kahl rasiert. Er geht und sitzt aufrecht und wirkt fast so, als gehe ihn das Geschehen nichts an. Reue zeigt der Mann kaum. Auch nicht, als der Staatsanwalt ihm eine Vorlage dazu gibt. Ob er seine heutige Sicht auf die Tat beschreiben könne, fragt der Staatsanwalt. "Tut Ihnen das leid?", fragt er. "Eigentlich schon", antwortet der Angeklagte. "Nur eigentlich?", entgegnet der Staatsanwalt. Die Menschen im Zuschauerbereich schauen sich fragend an. "Es tut mir leid", sagt der Angeklagte dann.

Erst Training, dann Alkohol

Nach eigenen Angaben hatte der junge Mann aus Much im Rhein-Sieg-Kreis den Tag der Tat mit einem Besuch im Fitnessstudio begonnen. Am Mittag habe er angefangen, Alkohol zu trinken. Acht halbe Liter Paulaner Weißbier will er im Fitnessclub geleert haben. Als er danach noch nicht genug gehabt habe, sei er zur Tankstelle gegangen und habe von seinen letzten zehn Euro ein Sixpack Bier gekauft. Zu Hause habe er auch diese Flaschen ausgetrunken.

Zwischendurch sei der Entschluss gereift, nach Wipperfürth zu fahren. "Warum sind Sie dorthin gefahren?", fragt der Richter. "Um mein Leben zu beenden", sagt der Angeklagte. Wohl eher habe er sich dorthin aufgemacht, um Drogen zu kaufen, bemerkt der Richter. "Amphetamine", bestätigt der Angeklagte auf Nachfrage.

Warum stach der Angeklagte zu?

Unklar bleibt, warum es zur Messer-Attacke kam. So schildert der Angeklagte die Stunden vor der Tat: Obwohl der junge Mann, der zur Tatzeit von Arbeitslosengeld II, also von etwa 400 Euro im Monat lebte, kein Geld mehr besaß (er hätte auch die Drogen nicht bezahlen können), war er in Much in das Taxi nach Wipperfürth gestiegen, das er per Telefon geordert hatte. Dort angekommen, zeigte der Taxameter 89,90 Euro. Der Angeklagte hatte den Taxifahrer nach eigenen Angaben gebeten, an der Kreissparkasse am Marktplatz zu halten, um Geld abzuheben. Aber das Konto war leer. "Ich wusste, dass ich kein Geld besitze", berichtet der 23-Jährige vor Gericht. Nach einer kurzen Unterhaltung und dem Hinweis eines weiteren Taxifahrers hätten die Männer, es war gegen 23 Uhr, beschlossen, nach Hämmern zur Shell-Tankstelle zu fahren, um dort Geld abzuholen. Aber dazu kam es nicht. "Wir haben miteinander geredet, dann ist die Tat passiert", schildert der Angeklagte. "Ich habe das Messer gezogen und ihn umgebracht. Als er das Messer sah, sagte er 'Ach Gott'."

Eine Antwort auf das Warum erhalten weder das Gericht noch die Angehörigen. Ein Zeuge bestätigt, dass der Angeklagte und der erstochene Taxifahrer über die Möglichkeit gesprochen hatten, zur Polizei zu fahren. "Könnte das der Grund gewesen sein?", fragt der Richter. "Ging es darum, dass Sie nicht zur Polizei wollten?" "Nein." "Hatten Sie sich über irgendetwas geärgert?", will der Richter wissen. "Zu diesem Zeitpunkt nicht."

"Ich habe nie geplant, jemanden zu töten"

Eine weitere Notiz lässt aufhorchen. Im Gespräch mit einer Gutachterin hatte der Angeklagte nach Angaben der Richters die Horrorfigur Michel Myers — der Maskenmörder ist bekannt aus der Filmreihe "Halloween" — erwähnt. Der Richter will wissen, ob es darum gegangen sei, eine ähnliche Tat zu verüben wie die Filmfigur, die ihren Opfern die Kehle aufschnitt. "Nein. Das ist schwachsinnig. Ich habe nie geplant, jemanden zu töten. Das war spontan", entgegnet der Angeklagte. Er habe bei der Tat lediglich kurz an die Figur gedacht.

Weitere Fragen bleiben offen: Warum nahm der getötete Taxifahrer den damals 22-Jährigen überhaupt mit, wenn er sieben Liter Bier getrunken hatte? Und warum führte dieser am Tag der Tat ein Messer mit sich? Etwa, um damit Menschen zu bedrohen, im Wissen, dass er kein Geld in der Tasche hatte? "Nein", behauptet der 23-Jährige. "Das Messer hatte ich dabei, weil man damit die Drogen von der Platte kratzt. Das macht man so."

Der Prozess wird am Mittwoch, 24. Mai, fortgesetzt.

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