Hückeswagen Streit unter Landsleuten in Flüchtlingsunterkunft vor Gericht

Hückeswagen · Zwei junge Männer aus Afghanistan kamen sich dermaßen in die Haare, dass ein 27-Jähriger wegen einer Schnittwunde an der Hand genäht werden musste.

Erst wurde es laut, dann floss Blut: In einer Nacht kurz vor Weihnachten war ein Streit unter Zimmernachbarn und Landsleuten in einer Hückeswagener Flüchtlingsunterkunft eskaliert. Zwei junge Männer aus Afghanistan, die sich dort einen Schlafraum teilten, waren sich dermaßen in die Haare geraten, dass der Ältere von beiden, ein 27-Jähriger, noch in der Nacht im Krankenhaus wegen einer Schnittwunde an der Hand genäht werden musste. Gestern trafen sich beide, die inzwischen in unterschiedlichen städtischen Unterkünften für Asylbewerber leben, vor dem Amtsgericht in Wipperfürth wieder: der 27-Jährige als Zeuge, sein 19 Jahre alter Landsmann als Angeklagter.

Die Anklage lautete auf gefährliche Körperverletzung. Demnach war der 19-Jährige nach dem verbalen Streit mit einem Messer auf den 27-Jährigen losgegangen. Der wehrte sich, griff in die Tatwaffe, bei der es sich nicht um ein Messer, sondern um eine Schere gehandelt hatte, und zog sich dabei die stark blutende Wunde zu. Eine Krankenschwester aus der Nachbarschaft, die der Afghane von der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe her kannte, leistete Erste Hilfe, nachdem der Verletzte an ihrer Haustür geklingelt hatte, und fuhr ihn in die Klinik.

Nicht wirklich zu klären war vor Gericht, wie es zu dem Streit unter den Männern gekommen war. Nach Darstellung des Zeugen hatte der Jüngere die Tür zum gemeinsamen Zimmer zugeknallt, darüber sei es erst zu dem Wortgefecht, dann zum tätlichen Angriff gekommen. Bis dahin habe man sich immer gut vertragen. Ganz anders die Schilderung des Angeklagten: Demnach war die Stimmung unter den jungen Männern schon vorher schlecht gewesen, unter anderem wegen Eifersüchteleien um eine ebenfalls im Haus lebende Frau, an der der 27-Jährige starkes Interesse gehegt habe. Auch habe der Ältere ihm vorgeworfen, ihn bestohlen zu haben, diesen Diebstahl habe er aber nie begangen.

In der Tatnacht habe er selbst im Bett gelegen, als der 27-Jährige nach Hause kam. Die Schnittwunde habe sich der Landsmann selbst beigebracht, was die Verteidigerin des 19-Jährigen so zu erklären versuchte: Der Ältere habe mit dem Jüngeren einen Konkurrenten im Wettstreit um die junge Frau und Hausmitbewohnerin loswerden wollen und wohl gehofft, dies durch eine Strafanzeige erreichen zu können.

Weder Staatsanwältin noch Richter schenkten der Geschichte des Angeklagten von der Selbstverletzung Glauben. Allerdings glaubten sie auch nicht dem Zeugen, der wiederholt erklärte, der jüngere und deutlich schmächtiger wirkende Landsmann habe ihn mit Stichen in den Bauch töten wollen. Ein nachvollziehbares Motiv konnte auch der Zeuge letztlich nicht benennen, denn angeblich war das Verhältnis zu seinem Zimmernachbarn ja immer freundschaftlich gewesen.

Im Einvernehmen mit Staatsanwältin und Angeklagtem stellte der Richter das Verfahren gegen den 19-Jährigen ein, wobei er Jugendstrafrecht zugrunde legte. Im Gegenzug muss der junge Mann, der ohne Arbeit ist, 80 Sozialstunden ableisten.

Weil er demnächst das Berufskolleg besuchen will, wäre ihm selbst eine Geldbuße lieber gewesen, obwohl er mit dem Regelsatz für Asylbewerber in Höhe von 370 Euro im Monat auskommen muss.

(bn)
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