Hückeswagen Eine vergnügliche Zeitreise ins "Audi"

Hückeswagen · Die Mitglieder der Bergischen Zeitgeschichte planen langfristig ein Buch über die Hückeswagener Kneipenkultur. Erste Informationen holten sie sich nun direkt vor Ort, im Wohnhaus von Bärbel und Kurt Müller, an der Montanusstraße.

 Wiedersehen im ehemaligen "Audi" (v.l.): Wolfgang Völkel, Gerrit Lotz, Herbert Buß, Kurt und Bärbel Müller sowie Stefan Leppak.

Wiedersehen im ehemaligen "Audi" (v.l.): Wolfgang Völkel, Gerrit Lotz, Herbert Buß, Kurt und Bärbel Müller sowie Stefan Leppak.

Foto: heike karsten

Noch einmal in den Räumen der Jugendkneipe "Audiminimum" ein Bier trinken. Dieser Wunsch wurde für neun Mitglieder und Sympathisanten des Vereins Bergische Zeitgeschichte (BZG) jetzt Wirklichkeit. Bärbel und Kurt Müller gewährten ihnen Zutritt in ihre Wohnung, genau in dem Haus an der Montanusstraße, in dem sich früher die Jugend der 1970er Jahre traf. Das Ehepaar wohnt seit 16 Jahren in dem zum gemütlichen Wohnhaus umgebauten Gebäude, fast direkt neben dem Getränkemarkt. Nur die offene und fast mittig im Raum befindliche Küche erinnert noch an den Platz, wo einst die Theke der verruchten Jugend-Kneipe gestanden hatte.

Die Besucher verglichen alte Fotos aus dem Schankraum des Audiminimums mit den jetzigen Räumen und schwelgten in Erinnerungen. "An manchen Abenden war es hier proppenvoll", erinnerte sich BZG-Mitglied Wolfgang Völkel. "Es gab immer gute Musik und regelmäßige Jazz-Konzerte", sagte Frank Sperling.

Zu den Live-Künstlern zählten die heutigen Leiter der Radevormwalder Musikschule, Michael Borner und Bert Fastenrath, wie auch die Projekt-Band "Hallucination Company" mit Hans Hölzel, der später unter dem Künstlernamen "Falco" berühmt wurde. "Von dem Auftritt habe ich noch Fotos", sagte Rolf-Dieter Hansen. Die geschichtsinteressierten Sonntagsgäste von Bärbel und Kurt Müller zählten früher alle zu den Besuchern der Szene-Kneipe. Sie erinnerten sich an unterhaltsame Flipper-Wettbewerbe, den Nebenraum mit Billardtisch und vergnügliche Abende mit Freunden. "Am gefährlichsten war aber die steile Treppe zum Bierkeller", sagte Hansen und lachte. Bei den Jugendlichen galt das "Audi" als absoluter Szene-Treff, auch wenn es einen schlechten Ruf als Hasch-Kneipe hatte.

"Das Audiminimum war nicht so eine 'Lieb-sein-Kneipe' wie das Chelsea", waren sich die Besucher einig. Das Ehepaar Müller bestätigte das: "Immer wieder bleiben Leute stehen und erinnern sich an die Kneipe. Wir haben aber noch nie etwas Gutes davon gehört", berichtete Kurt Müller schmunzelnd.

Für die BZG war der Besuch der Räume vielleicht sogar der Beginn eines neuen Projekts. Vorstandsmitglied Bernd Schulz hatte die Idee, sich mit der ehemaligen Kneipenkultur von Hückeswagen zu befassen. An die 50 Kneipen und Nebenausschänke soll es auf Stadtgebiet einschließlich der Außenortschaften gegeben haben.

Nach dem Erfolg des Bildbands zur Stadtgeschichte 'Mit der Zeiss durch Hückeswagen' könnten sich die Vereinsmitglieder auch ein Fotobuch mit historischen Aufnahmen und Berichten über die ehemaligen Kneipen der Schloss-Stadt vorstellen. Den Anfang ihrer Erkundungen machten sie jedenfalls im ehemaligen "Audi". Außer der Küchenzeile im Thekenformat erinnert heute nichts mehr an eine Kneipe. Die Fabrikfester wurden durch moderne Fenster, die Kneipentoiletten am Eingang durch ein Badezimmer ersetzt.

Ein Bier gab es für die Besucher trotzdem, immerhin ist Kurt Müller gelernter Bierbrauer und hat 22 Jahre lang als Kellermeister gearbeitet. Im Jahr 2000 zog das Ehepaar von Remscheid nach Hückeswagen und fühlte sich direkt heimisch.

Bei der Besichtigung kamen bei den Besuchern immer neue Erinnerungen hoch: "Es gab eine Theken-Mannschaft und eine Kabarett-Gruppe", sagte Gerrit Lotz. Wolfgang Völkel erinnerte sich an sein Fünf-Mark-Budget für den Freitagabend: "Das waren zwei Alt-Schuss für je 80 Pfennig. Der Rest landete im Flipper-Automat."

Brigitte Buß hatte noch den dunkelbraunen Vorhang am Eingang und die roten Gender-Symbole auf den schwarzen Toilettentüren vor Augen. "Da blieb so mancher Kneipengast unschlüssig vor stehen und wusste nicht, welche Tür er nehmen sollte", berichtete sie lachend.

Für die BZG-Mitglieder war der Nachmittag eine Zeitreise in längst vergangene Zeiten - und vielleicht der Beginn eines neuen, interessanten Projekts. Weitere Besichtigungen und Gespräche mit Zeitzeugen sollen folgen. "Die Emotionen schlagen höher bei Kneipen, die noch in der Erinnerung sind", sagte Völkel.

(heka)
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