Traditionsberufe Bäcker Eine Back-Dynastie seit 177 Jahren

Hückeswagen · Der Bäckerberuf ist auch heute noch echtes Handwerk. Mitten in der Nacht steht Jörg von Polheim in seiner Backstube an der Kölner Straße und sorgt in den nächsten Stunden dafür, dass die Hückeswagener den ganzen Tag ihre Brötchen kaufen können.

 Hier entstehen gerade Schokobrötchen: Bäckermeister Jörg von Polheim erledigt seine Arbeit auch nach gut 35 Jahren noch immer gerne.

Hier entstehen gerade Schokobrötchen: Bäckermeister Jörg von Polheim erledigt seine Arbeit auch nach gut 35 Jahren noch immer gerne.

Foto: jürgen moll

Hückeswagen Wenn Jörg von Polheim über seine Arbeit, also sein täglich' Brot spricht, ist das weniger Wortspiel als Tatsache: Der 57-Jährige ist in fünfter Generation Bäcker in der Schloss-Stadt. Der Betrieb wurde 1839 von seinem Ur-Ur-Großvater Peter von Polheim gegründet. "Wir sind ein echter Familienbetrieb", berichtet der Bäckermeister. Die ersten drei Jahre waren seine Vorfahren an der Marktstraße, dann aber zogen sie an die Kölner Straße, wo auch heute noch die Backstube ist. Die wurde allerdings erst 1910 gebaut, zuvor hatten zwei Generationen derer von Polheim im Keller gebacken.

Von 1978 bis 1980 machte von Polheim seine Lehre im elterlichen Betrieb - und nebenbei seinen Abschluss als Bauingenieur an der Universität in Wuppertal. Dann entschied er sich jedoch für den Weg des Bäckermeisters. "Bis 1986 habe ich nebenher mitgearbeitet, dann bin ich voll eingestiegen" berichtet von Polheim, der den Betrieb 1988 übernahm. Seine vier Kinder zeigen bislang noch keine Ambitionen, ihm beruflich nachzufolgen.

"Das kann man nicht erzwingen, aber vielleicht klappt es ja mit den Enkeln", sagt der 57-Jährige schmunzelnd. So lange wie sein Vater, der bis im Alter von 76 Jahren mitgearbeitet hatte, will von Polheim zwar nicht im Betrieb bleiben. "Aber bis zur Rente sind es noch einige Jahre", ergänzt der FDP-Vorsitzender im Stadtrat, der von Januar 2012 bis Oktober 2013 im Bundestag saß und im Mai für die Liberalen in Remscheid und Radevormwald in den Landtag einziehen will. Das Backhandwerk befindet sich seit einigen Jahren in einem Verdrängungswettbewerb, lautet von Polheims nüchterne Analyse, die er mit eindrucksvollen Zahlen untermauert: "Vor 30 Jahren gab es im Rheinland etwa 3200 Bäckereibetriebe, heute sind es noch 850." Auch auf die Schloss-Stadt treffe dies zu: "Vor dem Zweiten Weltkrieg waren 23 Backbetriebe ansässig - bei halber Einwohnerzahl." Ernst fügt der Bäckermeister hinzu: "Man muss sich positionieren, gerade wenn man gegen Ketten bestehen will."

Bei ihm ist diese Positionierung die Vollkornschiene und die Rückbesinnung auf alte Getreidesorten und Traditionsgebäcke. "Man weiß heute um die Bedeutung beispielsweise von Amaranth, das Magnesiummangel ausgleichen kann", erläutert von Polheim. Und wer in der Schloss-Stadt auf der Suche nach echten Nussecken sei, der gehe zu Polheim am Etapler Platz, ergänzt der 57-Jährige lachend.

Von Polheim bildet aus - zumindest theoretisch: "Wir haben horrende Schwierigkeiten, geeignete Azubis zu finden", sagt er mit Bedauern in der Stimme. Man müsse nachbessern, um den Beruf trotz seiner anstrengenden Arbeitszeiten wieder attraktiv zu machen. "Das Arbeitsverhalten und das Freizeitverhalten gehen nicht immer Hand in Hand", sagt der Hückeswagener. Dabei sei ein solider Handwerksjob eine sichere Bank. "Denn Brötchen werden immer gekauft."

Der Bäckermeister macht seinen Job auch nach gut 35 Jahren noch immer gerne - trotz Arbeitszeiten von 1.30 bis 11 Uhr und großen körperlichen Anstrengungen. "Wobei es schon viel einfacher geworden ist", schränkt er ein. "Als ich meine Ausbildung machte, mussten wir noch 100-Kilo-Säcke Mehl schleppen. Heute wiegen sie 25 Kilo - und das ist auch schon schwer."

Um sein Handwerk zu präsentieren, empfängt der Bäckermeister gerne junge Besucher in seiner Backstube. "Immer wieder kommen Anfragen von Kindergärten und Schulen, die sehen wollen, wie das Brot in die Geschäfte kommt", erzählt von Polheim. So war etwa einmal der Awo-Kindergarten mit 50 Kindern zu Gast. Die Knirpse waren sehr interessiert und durften auch etwas Eigenes backen. "Damit kann man das Handwerk den Kindern schon nahebringen", wirbt von Polheim.

(wow)
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