Hückelhoven Rückkehrer fanden zerstörtes Rurich vor

Hückelhoven · RP-Serie 70 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs: Schwierige Zeit des Wiederaufbaus im Umfeld der Rurfront.

 So wie das Schloss Rurich sah 1945 der gesamte Ort aus. Der zerstörte Turm (l.) wurde 2014/15 neu aufgebaut. Die Hälfte der Häuser, Kanäle und alle Straßen waren zerstört.

So wie das Schloss Rurich sah 1945 der gesamte Ort aus. Der zerstörte Turm (l.) wurde 2014/15 neu aufgebaut. Die Hälfte der Häuser, Kanäle und alle Straßen waren zerstört.

Foto: STADTARCHIV HÜCKELHOVEN

Nach dem am 26. Januar 1945 eingenommenen Brachelen rückte als nächster Ort der heutigen Stadt Hückelhoven Rurich der Befreiung vom Nazi-Terror-System näher - und damit dem Wiederaufbau. Die am 23. Februar 1945 beginnende Operation "Grenade" der 9. US-Armee wurde mit gewaltigen Angriffen entlang der Rur von Körrenzig bis Düren geführt. Zügig überquerten US-Soldaten die Rur bei Körrenzig und erreichten noch am gleichen Tag Rurich (und Baal).

"In jedem Haus befanden sich am Ende des Krieges mindestens drei Einschläge, die gesamte Kanalisation des Ortes war einschließlich aller Straßen zerstört, rund 50 Prozent der Häuser vernichtet, und es bestand eine akute Gefahr der Trinkwasserverseuchung." Diese Bilanz zog 1946 der gerade ins Amt gekommene Bürgermeister Rurichs, Heinrich Kleinen.

Der von den Amerikanern 1945 eingesetzte Landrat, Dr. Jack Schiefer, zählt in seinem 1948 erschienenen Buch "Zerstörung und Wiederaufbau im Kreise Erkelenz" Rurich zu den am meisten zerstörten Orten, weniger durch Bombenabwürfe, sondern vielmehr durch Artilleriebeschuss während des monatelangen Kampfs an der Rurfront, die 50 Meter von Rurich entfernt verlief. Im Mai 1945 waren nur 24 Einwohner Rurichs daheim.

Die Rückkehrer 1945/46 fanden nicht nur zerstörte Häuser vor, die Felder waren voller Unkraut, Kratern und Minen, die Bearbeitung durch die Bauern schwierig. Darüber hinaus ging Gefahr von wütenden russischen und polnischen Zwangsarbeitern des Nazi-Regimes aus, die von ihrem Lager Hetzerath aus die Dörfer nach Nahrung und Möbeln durchsuchten, dabei nicht immer zimperlich mit den Bewohnern umsprangen, es kam sogar zu Gewaltakten mit Toten.

In Rurich ging es mit den Aufräumarbeiten 1945 nicht so richtig voran mit den von den Amerikanern eingesetzten Bürgermeistern und Ratsmitgliedern. Systematik und Dynamik in die Ruricher Entwicklung brachte erst Heinrich Kleinen als Bürgermeister. Der 45-jährige Schachtmeister setzte sich zwar erst nach 16 Wahlgängen per Losentscheid durch, es stand immer drei gegen drei, er machte seine Sache aber wohl so gut, dass er bis zur Auflösung der Gemeinde Rurich 1971 mit prächtigen Wahlergebnissen im Amt blieb. Bei der Wiederherstellung von Wohnraum ging man unter Führung des Schachtmeisters pragmatisch vor: Noch nicht bewohnte Häuser dienten als Material-Fundus für andere, für die letzten konnte schon Baumaterial "legal" besorgt werden, dazwischen wurde die Kirche wiederhergestellt.

Mit den ersten 20.000 Mark an Zuschüssen und dem Verkaufserlös von Splitterholz wurden die Kanalisation und die Straßen instandgesetzt, der Anschluss an das Kreiswasserwerk geschafft. Der Schulbetrieb wurde normalisiert, der Gemeindesaal ausgebaut, der jahrelang Flüchtlingen aus dem Osten als Unterkunft gedient hatte.

Und das alles nach dem Leitsatz des Bürgermeisters und vierfachen Vaters Heinrich Kleinen, einem Feind des Schuldenmachens: "Was geplant wird, muss auch so bezahlt werden." Dem Leitsatz blieb man in Rurich lange treu.

(isp)
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