Hückelhoven Mit Bruder auf "Weg vom Tod ins Leben"

Hückelhoven · Beim Gedenken an Nazi-Opfer im Gymnasium ging es auch um aktuelle Schicksale von Menschen auf der Flucht.

 Schülerinnen und Schüler gestalteten die Gedenkstunde. Ein syrischer Flüchtling berichtete von der gefährlichen Flucht mit dem kleinen Bruder übers Meer. Für den Bürgermeister ist Hilfe für Menschen in Not "christliche Pflicht".

Schülerinnen und Schüler gestalteten die Gedenkstunde. Ein syrischer Flüchtling berichtete von der gefährlichen Flucht mit dem kleinen Bruder übers Meer. Für den Bürgermeister ist Hilfe für Menschen in Not "christliche Pflicht".

Foto: JÖRG KNAPPE

Das Boot gleicht einer Nussschale auf hoher See. Es ist nur sechs Meter lang. 48 Flüchtlinge soll es befördern. Von der Türkei setzen sie über nach Griechenland. Amrou Arab (23) hat kein gutes Gefühl. Tausend Euro haben seine Eltern den Fluchthelfern gegeben, 500 für seinen kleinen Bruder Mohammed (zwölf Jahre).

Bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Hückelhovener Gymnasium erzählt der junge Syrer von der gefährlichen Flucht, die er als "Weg von der Verzweiflung zur Hoffnung, vom Tod ins Leben" bezeichnet. Im September kamen die beiden Brüder in Hückelhoven an, Mohammed besucht das Gymnasium. In gutem Deutsch berichtet Amrou Arab von den bedrohlichen Zuständen in seinem Heimatland: "Wir wollten den Bomben und der Zerstörung entkommen, eine Perspektive für unsere Zukunft. Hier sind wir in Sicherheit. Ich denke oft nach über unser Leben."

Für die Flucht der Eltern reichte das Geld nicht. In bewegenden Worten schildert er die gefährliche Überfahrt. Der Motor geht plötzlich aus. Wellen schlagen hoch. Das völlig überladene Boot schaukelt bedenklich. Doch Amrou Arab will seinen kleinen Bruder die Angst nicht spüren lassen, als er bemerkt: Der Bootsführer kennt sich gar nicht aus.

"Wir erinnern uns heute an eine der dunkelsten Stunden unserer Geschichte", macht Bürgermeister Bernd Jansen bei der Gedenkstunde deutlich, zu der Pax Christi eingeladen hat. Die größte Herausforderung, die das Land und auch die Stadt Hückelhoven im vergangenen Jahr zu meistern gehabt hätten, sei die Aufnahme der Flüchtlinge und Asylsuchenden gewesen. Aktuell habe die Stadt rund 800 Flüchtlinge aufgenommen.

"Es war und ist für uns selbstverständlich, Menschen in Not zu helfen", betonte der Erste Bürger in seiner Ansprache. Es sei "christliche Pflicht", den Menschen in Not, die vor Bomben, Terroranschlägen und Verfolgung geflohen und dabei nur knapp dem Tod entronnen seien, zu helfen. Verpflichtend sei es auch, sich für die Demokratie einzusetzen, sagte Jansen. Rechtsextreme Handlungen oder Äußerungen sowie Ausländerfeindlichkeit dürften auf keinen Fall geduldet werden. Die Ereignisse der vergangenen Wochen machten diese Aufgabe jedoch nicht einfacher, sagte der Verwaltungschef. Hans-Jürgen Knubben als Sprecher der Hückelhovener Pax-Christi-Gruppe wies auf die Einbindung der Schüler des Gymnasiums und der Hauptschule In der Schlee hin, die schon seit 20 Jahren mit ihren Beiträgen an der Veranstaltung am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz beteiligt seien. "Kinder auf der Flucht" sei in diesem Jahr das Hauptthema der Gedenkstunde. Mit der Lehrerin Christine Wolff hatten Charlotte Sachs, Maike und Tim Angelike, Preyanha Hemakanthan und Fisnik Zejnullahu Tagebucheinträge vorbereitet, die an die Kindertransporte nach England zur Zeit des Hitler-Regimes erinnerten.

Die Hauptschüler trugen kurze Biografien der Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak vor.

(cb)
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