Hückelhoven Fasten bei Hitze ist reine Kopfsache

Hückelhoven · Das sagt Büsra Yilmaz (25), die gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Kübra über den Alltag von Muslimen im Fastenmonat Ramadan spricht. Bei Hitze nicht zu trinken, hält Moslem Dr. Ali Fachr allerdings für problematisch.

Essen und trinken erst nach Sonnenuntergang: Mehmet Yilmaz mit seinen Zwillingstöchtern Kübra und Büsra.

Essen und trinken erst nach Sonnenuntergang: Mehmet Yilmaz mit seinen Zwillingstöchtern Kübra und Büsra.

Foto: Jürgen Laaser

Büsra Yilmaz (25) tischt auf: Datteln, Joghurtsuppe, gebratenen Reis, Auberginenscheiben mit Gehacktem, Kartoffeln mit Fleischbällchen, Salat, als Dessert süßes Baklava-Gebäck. Ihre Zwillingsschwester Kübra holt Mineralwasser und Traubensaft aus dem Kühlschrank, Gläser klirren.

Immer wieder sehen die jungen Frauen auf die Uhr. "Noch vier Minuten", sagt Büsra ungeduldig. Den ganzen Tag haben sie auf diesen Moment sehnsüchtig gewartet. 21.45 Uhr. Endlich. Endlich etwas trinken dürfen. Und essen. Obwohl: "Essen ist nicht so wichtig. Man hat kaum Appetit, weil es so heiß ist", sagt Kübra Yilmaz. Die jungen Muslimas, die noch bei den Eltern zu Hause in Doveren wohnen, fasten im Ramadan, der am vergangenen Samstag begonnen hat und noch bis zum 24. Juni dauert. Der Fastenmonat Ramadan ist der neunte Monat im islamischen Mondkalender. Der Koran soll in diesem Monat herabgesandt worden sein.

Bei den hochsommerlichen Temperaturen bis zu knapp 34 Grad Celsius kein leichtes Unterfangen. Es gibt Momente, da fällt ihnen der völlige Verzicht auf Flüssigkeit und Nahrungsmittel sehr schwer. Beide sind berufstätig, Büsra als Kinderpflegerin im Kleingladbacher Waldkindergarten "Die Frischlinge", ihre Zwillingsschwester Kübra im mobilen Pflegedienst der St. Gereon Altenpflege in Brachelen.

"Das Fasten bei der Hitze ist reine Kopfsache", meint Büsra, die wie ihre Schwester ein Kopftuch mit bunten Ornamenten und eine weiße Bluse mit langen Ärmeln zum bodenlangen, schwarzen Rock trägt. "Das spielt sich alles im Gehirn ab. Man muss positiv denken, wenn es schwierig wird." Kübra Yilmaz nickt überzeugt. "Ich krieg' das hin, sage ich mir dann. Und dass Gott mir dabei hilft." Vater Mehmet (48) kommt dazu, nimmt am festlich gedeckten Tisch auf der Terrasse in der Hückelhovener Straße Platz. Stolz berichtet der frühere Bundesvorsitzende des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), dass Arbeitgeber und Kollegen der Töchter viel Rücksicht nehmen.

Im heiligen Monat Ramadan ist bei der streng gläubigen Familie vieles anders. Die Zwillingsschwestern gehen erst spät zu Bett. Kübra Yilmaz: "Man kann nicht sofort nach dem Essen schlafen gehen. Meistens wird es halb zwei bei mir." Aber: Um halb sechs klingelt schon wieder unerbittlich der Wecker. Die junge Frau versorgt Wunden ihrer Patienten zu Hause, setzt Spritzen, hilft beim morgendlichen Duschen oder Waschen.

Büsra Yilmaz schnappt sich ihre Autoschlüssel. Sie fährt jetzt noch nach Baesweiler-Setterich, Freunde besuchen. "Das ist jetzt fast jeden Abend so, wenn gefastet wird. Man besucht sich gegenseitig, trifft sich im Restaurant oder in der Moschee." Fünfmal am Tag wird gebetet, zurzeit ein spezielles Ramadan-Gebet. Mit Einbruch der Morgendämmerung gegen halb zwei darf nichts mehr gegessen oder getrunken werden. Doch es gibt Ausnahmen: Schwangere oder Kranke, auch Muslime, die körperlich schwer arbeiten. "Als ich noch unter Tage bei Sophia-Jacoba war, habe ich nicht gefastet", erinnert sich Mehmet Yilmaz an die Zeit vor 1997, als im Bergwerk der Kohlehobel noch nicht still stand.

Dr. Ali Fachr ist selbst Moslem. Aus ärztlicher Sicht rät der Hückelhovener Allgemeinmediziner jedoch vom völligen Verzicht auf Flüssigkeit ab, wenn es so heiß ist wie in den vergangenen Tagen. Zwei bis drei Liter täglich seien wichtig für den Körper. Dennoch hat der gebürtige Iraner Verständnis für die Muslime im Fastenmonat Ramadan.

"Ich selbst faste nicht", sagt er. Wer jedoch an Diabetes erkrankt sei oder regelmäßig Medikamente einnehmen müsse, dürfe nicht fasten. "Das wäre nach unserem Glauben sogar Sünde." Dr. Fachr: "So lange man nicht krank ist, kann man fasten. Aus religiöser Sicht muss gefastet werden." Allerdings laufe man in der starken Hitze Gefahr, einen Kreislaufkollaps zu erleiden.

(cb)
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