Hückelhoven "Ein Krüppel für das ganze Leben!"

Hückelhoven · Peter Schlebuschs Erinnerungen an das Grauen im Ersten Weltkrieg. Schwere Kriegsverletzung in Frankreich. Ein Zeitbild (Teil 2).

 Erinnerung aus dem Nachlass des Ratheimer Ortschronisten: Peter Schlebusch (vorne im Liegestuhl) in einem Lazarett in Bensheim an der Bergstraße mit Kameraden und Krankenschwestern.

Erinnerung aus dem Nachlass des Ratheimer Ortschronisten: Peter Schlebusch (vorne im Liegestuhl) in einem Lazarett in Bensheim an der Bergstraße mit Kameraden und Krankenschwestern.

Foto: Pfarre Ratheim

Neben der Schule, in der die Prügelstrafe allzu oft grausamer Alltag war, stand an Rur, Wurm, Niers und Schwalm die Mitarbeit der Kinder in Haus, Garten oder Kleingewerbe der Familie an. So auch für Peter Schlebusch, der nach der Volksschule das Korbmacherhandwerk lernte und in der kleinen Landwirtschaft mitarbeitete. Mit 16 war Schlebusch der St.-Josef-Junggesellen-Schützenbruderschaft beigetreten, eine für sein soziales Leben elementare Entscheidung.

Der Ratheimer Ortschronist Peter Schlebusch (1887-1968) hat seine Erfahrungen im Ersten Weltkrieg und aus der Zeit danach zu Papier gebracht. Für den Autor der Ortschronik und einer 50 DIN-A4-Seiten langen Autobiografie endete der Krieg vor 100 Jahren als Beinamputierter.

Am 14. Oktober 1909 zum Wehrdienst eingezogen, löste dieser Erst-Kontakt mit dem Militärischen keine erkennbare Begeisterung beim 22-jährigen Garsbecker aus, Befreiungsanträge wegen der Arbeit zu Haus wurden lange abgelehnt. Schließlich erhielt der Koblenzer Pionier Peter Schlebusch am 2. Februar 1911 dann doch die Papiere zur vorzeitigen Entlassung.

Krisen im Korbabsatz brachten ihn kurz zum jungen Glanzstoffwerk in Oberbruch, dann wieder zum elterlichen Hof. Ein paar Versuche, eine Partnerin zu finden, blieben erfolglos.

Am 2. August 1914 zur Kriegsmobilmachung war auch Peter Schlebusch dran, er fand sich in Koblenz wieder, wo die Bevölkerung die Soldaten beköstigte, eine gewisse Siegesgewissheit durch Gesang und Tanz herrschte. Peter Schlebusch urteilte skeptisch: "Diese Begleitung war eigentlich zu groß."

Gen Westen ging's auch für den jungen Mann aus Garsbeck, völkerrechtswidrig durch Luxemburg und Belgien, etwas hinter der Front, die mit gewaltigem Artilleriefeuer dennoch nicht fern klang. Der erste Einsatz dann für den Pionier Peter Schlebusch nach der Schlacht im Grenzraum Belgien/Frankreich bei "Neufchateau", wo er zur Beerdigung, wenn man davon sprechen kann, der Toten abkommandiert wurde.

Weitere Schlacht(en)stationen waren das symbolträchtige Sedan an der Maas sowie Vitry an der Marne, wo Peter Schlebusch viele Ratheimer Soldaten erkannte. Vor einer gefährlichen Kommandoaktion bei St. Perthes wurden dem beteiligten Leutnant, dem Unteroffizier und Peter Schlebusch das Eiserne Kreuz (EK), ein Kriegsverdienstorden, versprochen. Nach Erfolg erhielten der Leutnant, der Unteroffizier und ein völlig unbeteiligter Feldwebel das EK, Schlebusch ging leer aus. Das war eine bekannte Praxis im Ersten Weltkrieg, die viele Soldaten, darunter Peter Schlebusch, gegen jegliche Ordensvergabe aufbrachte. Recht viele Offiziere sind wegen ihres herrischen Verhaltens von eigenen Soldaten erschossen worden.

Am 24. September 1914 erhielt Schlebusch einen Granatsplittertreffer im Gesicht, den er bis kurz vor Weihnachten auskurieren konnte. Tote Soldaten, herumliegende Körperteile, schreiende Verwundete - Pionier Schlebusch erlebte in der Folge das ganze Grauen des Krieges.

Eine Januarnacht 1915, Pionier Schlebusch musste einen Drahtverhau in Sichtweite der französischen Stellungen anbringen, Leuchtkugeln erhellten die Nacht, es wurde gnadenlos geschossen. "Peng, ich hatte eine weg!" Mit einem knappen Satz erinnert Peter Schlebusch an eine für sein künftiges Schicksal entscheidende Situation auf einem Schlachtfeld in Frankreich. Sein rechtes Bein war schwer getroffen worden, er kam zum Hauptverbandsplatz, wo für ihn entscheidende Fehler gemacht wurden: Er blieb tagelang ohne Behandlung im Hochbetrieb liegen. Und vor allem: Im Lazarett in Rethel (französische Ardennen) wurde er nach einem Schreibfehler des Hauptverbandsplatzes auf "Beinbruch" statt auf "Beinschuss" behandelt, mit fatalen Folgen.

Die verbundene Wunde steckte voller Würmer, sie wurde sieben Wochen lang lediglich neu verbunden. Erst ein neuer Chefarzt ließ das Bein röntgen - auf 30 Zentimetern Länge war kein Knochen mehr vorhanden, es blieb nur die Amputation. Peter Schlebuschs tragische Erkenntnis: "Ein Krüppel für das ganze Leben!"

(isp)
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