Hückelhoven Die Stunde der bitteren Wahrheit

Hückelhovens Geschichte verzeichnet zwei denkwürdige Tage, die in direktem Zusammenhang stehen: Der 8. Januar 1914 und der 11. November 1991 - vor 102 Jahren wurde die erste Kohle auf der später Sophia-Jacoba benannten Zeche gefördert, 1991 wurde in der Bundesregierung der Beschluss gefasst, die Grube zum 30. Juni 1997 zu schließen. Vor 25 Jahren, am 11. November 1991, erhielt der Betriebsratsvorsitzende und Hauptakteur im Kampf um den Erhalt der Grube, Franz Sonnen, um 16.22 Uhr per Autotelefon an der Aachener Michaelskirche die unfrohe Botschaft aus Bonn.

"Es wird das Jahr 1997 sein. Wir haben damit nicht erreicht, was wir wollten, aber wir haben mehr erreicht, als andere wollten!" Das waren die Sätze, die Franz Sonnen seinen Arbeitskollegen, seinen Mitkämpfern um den Erhalt der Zeche mit der wertvollsten Steinkohle überhaupt von der Kanzel der Michaelskirche sagen musste. Damit war das Ende des traditionsreichen Aachener Kohlereviers eingeläutet.

Es war das Ende eines intensiven Kampfes, der Mitte der 80-er Jahre begonnen hatte, weil Franz Sonnen, sein Stellvertreter Detlef Stab, die Betriebsratskollegen und der Grubenvorstand besorgt registrierten, dass die 1982 angetretene Bundesregierung von CDU und FDP die Axt an die Steinkohle legte. Am 6. November 1987 marschierten 700 SJ-Mitarbeiter vom Zechengelände in Hückelhoven 400 Meter zum Rathaus, wo 2000 Menschen warteten, um zu hören, welche Sorgen man sich um die Zeche machen musste. Die erste Großkundgebung in der Geschichte der Stadt. Unermüdlich initiierte der Betriebsrat Aufklärung und Widerstand, eine Fraueninitiative trat auf den Plan, ein Bürgerkomitee gründete sich, Hückelhoven und die Region stellten sich hinter die Kumpel. Eine weitere Kundgebung am 27. September 1991 versammelte 10.000 Menschen.

Ein absolutes Novum in der deutschen Wirtschaftsgeschichte dann ab dem 17. Oktober 1991: 1000 Kumpel von Sophia-Jacoba traten in den Streik - verlassen Streikende gewöhnlich ihren Betrieb, blieben die 1000 Mann an den Arbeitsplätzen in 600 Meter Tiefe. Am 8. November ein Fackelzug mit gut 5000 Teilnehmern. In der Nacht vom 9. auf den 10. November blieben 100 Streikende in der Barbara-Kirche auf dem Wadenberg. Von dort ging es zum Aachener Dom, wo ihnen Bischof Hemmerle Asyl gewährte. Am Morgen zog man um in die Michaelskirche, wo weitere 400 Kumpel eintrafen, bis ihnen Sonnen die verbleibende Frist von fünf Jahren mitteilen musste und Tränen flossen.

(isp)
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