Hückelhoven "Alles Menschen hier very good people"

Hückelhoven · Das Pfarrheim Kleingladbach ist für Flüchtlinge eine wichtige Station in ihrer noch unbekannten neuen Heimat. Zwei Lehrerinnen helfen ihnen beim Spracherwerb und schieben auch praktische Hilfe an. Ein Angebot der Flüchtlingspaten.

Beim Treffen mit Rita Zurmahr-Tabellion (hinten 3. v. li.) und Karin Kuß (2. v.r.) freuten sich die Frauen kurz vor Weihnachten über Fahrräder. Die hatte Peter Kleinen (li.), Werkanleiter der Jugendwerkstatt Hilfarth, angeliefert.

Beim Treffen mit Rita Zurmahr-Tabellion (hinten 3. v. li.) und Karin Kuß (2. v.r.) freuten sich die Frauen kurz vor Weihnachten über Fahrräder. Die hatte Peter Kleinen (li.), Werkanleiter der Jugendwerkstatt Hilfarth, angeliefert.

Foto: UWE HELDENS

Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Nigeria und Herzegowina. Eines haben alle gemeinsam: Die deutsche Sprache und Gepflogenheiten müssen sie verstehen lernen, wollen sie sich in ihrer neuen Umgebung zurechtfinden. Dabei hilft ein Angebot der Flüchtlingspaten. Zwei pensionierte Lehrerinnen kommen mit einem Dutzend Lernwilliger, vorwiegend Frauen, jeden Dienstag im Pfarrheim Kleingladbach zusammen. Dabei geht es auch um mehr als Spracherwerb.

Hazal (Herzegowina) hat zwei Kinder, die älteste Tochter besucht die dritte Klasse. "Merina ist lernbegierig", erzählt Rita Zurmahr-Tabellion. "Ich pass' gut auf, Rita", hat sie gesagt, "ich erkläre das der Mama zu Hause". Fehler der Mutter hört sie bereits heraus. Der vierjährige Jasmin spricht mit anderen Kindern schon Deutsch beim Spielen. Am Anfang kamen auch sieben Männer ins Pfarrheim, doch die sind jetzt anderweitig beschäftigt. "Die gehen sehr zügig in vier Stunden gemeinnützige Arbeit, oft morgens in Schulen. In Erkelenz besuchen sie einen dreimonatigen Sprachkursus", ist die Erfahrung der Lehrerin. Dass sie hier Flüchtlinge unterrichtet, betrachtet sie fast als Pflicht: "Wer helfen kann, der soll das auch tun."

Rita Zurmahr-Tabellion und Karin Kuss, ebenfalls pensionierte Lehrerin, kennen auch die privaten Sorgen der Frauen. Hazal spricht von "Stress": Ihr Mann ist krank, fährt dreimal in der Woche zur Dialyse, ist Diabetiker und hatte einen Schlaganfall. Er ist froh, wenn seine Frau mit ins Krankenhaus kommt, denn mittlerweile kann sie schon übersetzen. "Außerdem kümmert sie sich reizend um zwei alleinstehende Frauen aus Eritrea", sagt Rita Zurmahr-Tabellion. "Wie in einer Familie - Hazal kocht, die Verständigung läuft über Handy." Wer weder Deutsch noch Englisch versteht, nutzt ein Online-Sprachprogramm.

Bafraa aus Syrien hat drei Kinder, neun und sechs Jahre und die zweijährige Schilen, die mit zum Sprachunterricht kommt. Mariam (55) aus Teheran war nach Malaysia geflüchtet, wo sie Englisch lernte, reiste aber fünf Jahre später nach Deutschland. Ihre Dankbarkeit drückt sie so aus: "Thank you for people in Deutschland. Alles Menschen very good people!" Tochter Safora (30) hilft in der Kleingladbacher OGS-Betreuung mit. Zwei Kinder von Zohra (Afghanistan) haben Perspektiven: Ein Sohn (20) arbeitet im evangelischen Altenheim, Tochter Sarah (16) lernt im Berufskolleg Geilenkirchen, will Kindergärtnerin werden. Zwei sind über den halben Erdball verstreut: Eine Tochter lebt in Kanada, eine andere in Dubai.

Vivien aus Nigeria hat ihren anderthalbjährigen Sohn mitgebracht. Ein vierjähriges Kind fährt sie mit einem gespendeten Fahrrad samt Anhänger von Ratheim nach Millich in die Kita. Die junge Frau ist froh, in Pater Christian Okwuru eine Vertrauensperson gefunden zu haben, die aus der gleichen Region wie sie stammt und ihren Dialekt spricht. Ihr Mann Thomas hat in Wassenberg einen Minijob. Lemat (im März 18) und Alemnesh (34) arbeiten im St. Lambertus Altenheim.

So zahlreich die Nationen und Schicksale, so vielfältig sind die Bemühungen der Flüchtlingspaten, den Menschen beim Zurechtfinden zu helfen. Freizeitgestaltung, Ausflüge und Konzertbesuche gehören dazu. Im Advent gab es eine Frühstücksrunde mit Kerzen auf Tannengrün, Weckmännchen, Äpfeln, Mandarinen und Schokonikoläusen - und der Geschichte vom Heiligen Nikolaus aus Myra. Hazal hatte einen Kuchen gebacken.

Im Sprachunterricht steht Praktisches an: Ich heiße..., ich wohne... Wie komme ich mit dem Bus zum Sozialamt? Es wurde geübt, Fahrpläne und Zeiten zu lesen. Zohra kann schon auf Deutsch bis zwölf zählen, Mariam muss bei den Wochentagen noch üben. Nächster Punkt ist Verkehrserziehung. Denn die Jugendwerkstatt in Hilfarth richtet regelmäßig gespendete Fahrräder für die Flüchtlinge her. Die müssen dann auch sicher damit umgehen lernen. Vor Weihnachten brachte Werkanleiter Peter Kleinen mit Helfern wieder vier Drahtesel zum Pfarrheim. So erfahren die Flüchtlinge auch praktische Hilfe, damit sie dank neuer Sprachkenntnisse und mit fahrbarem Untersatz die neue Heimat erkunden können.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort