Hilden Vollzeitarbeit: Frauen auf dem Rückzug

Hilden · Teilzeit ist auch in Hilden eine Frauendomäne. Frauen machen einen Anteil von 81,2 Prozent aus. Tendenz: steigend.

 Janine Fröhling mit Lara (3 Jahre) und Nele (drei Monate alt, von links) besucht gerne das "Café Bauchgefühl", das Ende Juni an der Schulstraße in Hilden eröffnete.

Janine Fröhling mit Lara (3 Jahre) und Nele (drei Monate alt, von links) besucht gerne das "Café Bauchgefühl", das Ende Juni an der Schulstraße in Hilden eröffnete.

Foto: RALPH MATZERATH

Wer an der Schulstraße das "Café Bauchgefühl" betreten will, der muss sich den Weg an neun geparkten Kinderwagen vorbeibahnen. Das neue Angebot des vor knapp einem Monat eröffneten Cafés hat eingeschlagen wie eine Bombe. Vor allem vormittags ist es rappelvoll. Während die Mütter in den pastellfarben gestrichenen Räumen sitzen und frühstücken, toben die Kleinen unter Aufsicht in einer Spielecke.

"Das hat in Hilden gefehlt", sagt Janine Fröhling (33). Hier können Mütter sich tagsüber treffen und reden, "ohne dass sich jemand von den Kindern gestört fühlt", sagt Yvonne Thun (38). Sogar Inhaberin Melanie Hassan, selbst Mutter eines Kleinkindes, ist überrascht vom großen Erfolg: "Viele Mütter, die ihre Kinder nicht in eine Kita geben, nutzen hier gerne die Gelegenheit einer stundenweisen Betreuung."

Damit ist das "Café Bauchgefühl" Spiegel einer aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung. Denn die Erwerbstätigkeit der Frauen ist zwar in den vergangenen 20 Jahren angestiegen - heute gehen 68 Prozent aller Frauen arbeiten, Anfang der neunziger Jahre waren es nur 56 Prozent. Doch laut Institut Allensbach sind bei über 30-jährigen Frauen die Vollzeit-Erwerbstätigen nur noch eine Minderheit. Teilzeitarbeit ist eine Frauendomäne. Nach Angaben der Arbeitsagentur für den Kreis Mettmann arbeiten in Hilden 4656 Menschen in Teilzeit. Davon sind 3780 beziehungsweise 81,2 Prozent Frauen, sagt Agentur-Sprecher Christoph Löhr. Beobachter schreiben das der in ihren Augen immer noch lückenhaften Betreuung in der Kindertagesbetreuung zu. Allerdings liegt Hilden laut Sozialdezernent Reinhard Gatzke "unter den ersten zehn Städten und Kreisen in NRW": Bei unter Dreijährigen würden die gesetzlichen Anforderungen voll erfüllt (55,3 Prozent), bei über Dreijährigen liege die Versorgungsquote sogar bei 99,7 Prozent. Und für Berufstätige, die eine Kita-Betreuung über 17 Uhr hinaus brauchen, schließt in Hilden eine Tagesmutter die Lücke bis zum Feierabend.

Nein, immer öfter ist es nicht mehr der Zwang, sondern eine bewusste Entscheidung von Müttern, zu Hause zu bleiben. "Zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr läuft die ganze Sprachentwicklung ab, da will ich selbst für mein Kind da sein", sagt Yvonne Thun. Das sieht auch Nicole Demuth (40) so, auch wenn diese Einstellung von der Gesellschaft nicht akzeptiert werde, sagt sie. Stimmt nicht: Laut Institut Allensbach glauben aktuell 52 Prozent, dass ein- und zweijährige Kinder besser von der Mutter betreut werden sollten. Dass daraus eine starke Abhängigkeit vom Mann entsteht, wissen die Frauen: "Man ist nicht abgesichert", sagt Janine Fröhling. Das aber sei die Gefahr der Zukunft, mahnen Forscher: Frauen gehen zu leichtsinnig mit ihren Zukunftsaussichten um. "Frauen müssen lernen, ihr Leben von hinten her zu denken", fordert Soziologin Jutta Allmendinger. Und hinten, am Ende, da droht die Altersarmut.

(RP)
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