Kreis Mettmann Selbstverteidigung ist mehr als Kampf

Kreis Mettmann · Raus aus der Opferrolle - Psychologen und Trainer setzen auch auf die Schulung des Selbstbewusstseins.

 Der Psychologe Manfred Bartos leitet die psychologische Beratungsstelle der Stadt Ratingen.

Der Psychologe Manfred Bartos leitet die psychologische Beratungsstelle der Stadt Ratingen.

Foto: Blazy

Bei dem Wort Selbstverteidigung denken die meisten Menschen an körperliche Konfrontationen oder Kampfsport. Doch Selbstverteidigung fängt schon viel früher an. Dieser Meinung ist auch der Psychologe Manfred Bartos. Er leitet die psychologische Beratungsstelle in Ratingen und sagte: "Kurse in Selbstverteidigung haben definitiv ihren Platz und können viel bringen. Allerdings halte ich die Schulung der sozialen Kompetenzen für genauso wichtig."

Nicht jeder fühlt sich mit einem Kampfsport wohl, weshalb es auch andere Wege gibt, das Selbstbewusstsein zu stärken und Selbstsicherheit zu erlangen. Eine Möglichkeit dazu bietet das Deeskalationstraining. Dabei geht es darum, Gewalt zu erkennen, zu benennen und schließlich zu vermeiden. Alex Flöck ist selbstständiger Deeskalationstrainer und Jugendhilfebetreuer. Er arbeitet zusammen mit dem Jugendamt Ratingen und bietet unter anderem an Schulen sein Training an: "Zunächst klären wir in den Kursen die Frage, was Gewalt überhaupt ist. Danach geht es darum, die Teilnehmer für Gewalt zu sensibilisieren. Durch individuelle Erfahrungen hat jeder ein eigenes Verständnis von Gewalt und wo sie anfängt." So kann zum Beispiel auch Schadenfreude bereits eine Form von Gewalt sein.

Im Training geht Alex Flöck dann individuell auf die Teilnehmer ein. Nicht jeder kommt mit dem gleichen Selbstbewusstsein in den Kurs, manche sogar mit zu viel Selbstbewusstsein. Hier ist es wichtig, das richtige Maß zu treffen. Denn nicht nur die sogenannte Opferhaltung kann Angreifer provozieren, auch zu deutlich zur Schau getragenes Selbstbewusstsein kann zu Aggressionen führen. "Wir möchten unseren Teilnehmern eine neutrale, aber offene Körperhaltung zeigen. Davon kann wirklich eine Menge abhängen", sagte Flöck. Ebenso sollte jeder versuchen, vorausschauend zu handeln. Gibt es die Möglichkeit einer gefährlichen Situation aus dem Weg zu gehen, sollte man dies immer tun.

Auch Sprachtraining ist ein Teil des Kurses. So gilt es bei Beleidigungen, nicht auf die Machtspiele des Angreifers einzugehen. Es ist wichtig, sich deeskalativ zu verhalten, ohne dabei eine Opferrolle einzunehmen. Ebenfalls ein zentraler Punkt: Menschen in der Umgebung auf die Situation aufmerksam machen, indem man sie direkt anspricht. Dazu sagte Alex Flöck: "Rufe ich einfach nur nach Hilfe, wird sich kaum jemand angesprochen fühlen. Das sieht man leider immer wieder. Rufe ich aber: "Sie, mit dem blauen Rucksack und der grünen Jacke", dann wird diese Person viel eher eingreifen und helfen."

Doch Alex Flöck beschäftigt sich nicht nur mit der Situation der Opfer. Er trainiert auch mit bereits zu Tätern gewordenen Jugendlichen. Im Training sollen die Teilnehmer ihre Verhaltensmuster ändern und so die Gewaltspirale unterbrechen, in der sie sich befinden. Den Tätern wird auch gezeigt, wie es sich anfühlt, in der Opferrolle zu stecken und was es heißt, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. "Ich arbeite unglaublich gerne mit den Jugendlichen. Das Training soll Spaß machen und nichts Unangenehmes sein. Wenn die Teilnehmer am Ende etwas davon in ihr Leben mitnehmen können, freut mich das noch mehr", sagte Flöck.

Hinter dem Wort Selbstverteidigung verbergen sich eine Menge Aspekte. Sie beginnt bereits vor einer körperlichen Auseinandersetzung und hat auch eine Menge mit Selbstwahrnehmung zu tun. Neben Abwehrtechniken ist es genauso wichtig, die eigenen sozialen Kompetenzen zu schulen und aufmerksam durchs Leben zu gehen.

(RP)
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