Serie Mit Dem Landwirt Durchs Jahr (11) Höchste Lebensgefahr aus gansheitlicher Sicht

Hilden · Auf Gut Schobbenhaus in Mettmann sind seit Mai 1200 Gänse und 450 Enten groß geworden. Doch nun nahen die Adventszeit und Weihnachten, die Zeit der Festbraten.

 Gans im Glück - aber nicht auf Dauer. Bauer Johannes Kircher mit seinem Federvieh, das noch richtig Auslauf hat.

Gans im Glück - aber nicht auf Dauer. Bauer Johannes Kircher mit seinem Federvieh, das noch richtig Auslauf hat.

Foto: Dietrich Janicki

METTMANN Seit Mitte Mai watscheln sie auf Gut Schobbenhaus: rund 1200 Gänse und 450 Enten. Wenn Bauer Johannes Kircher über die Gänsewiese schreitet, teilt sich ein Meer aus weißen Daunen, langen Hälsen und schlagenden Flügeln schon weit vor ihm. Ein hocherregtes Gänseschnattern begleitet das Auseinanderstieben.

Mit seiner kellertiefen Bassstimme redet Kircher beruhigend auf die Tiere ein. Den Klang seiner Stimme kennen sie seit der zweiten Lebenswoche. Dass Weihnachten aus gans-heitlicher Sicht lebensbedrohliche Termine mit sich bringt, lernt das weiße Federvieh in diesen Tagen.

Geschlachtet wird derzeit jeden Tag. "Da muss ich mich in jedem Jahr überwinden", verrät Kircher. Denn wenn man über Monate hinweg für die Tiere gesorgt hat, fallen einem immer einige auf. Besonders freche. Oder solche, bei denen die Federn seltsam abstehen. Die etwas humpeln. Die dann im entscheidenden Moment in der Hand zu haben, geht einem bei aller Routine nicht glatt an der Seele vorbei. Kirchers Trost: "Bei uns leiden die Tiere nicht, denn sie sind bis zuletzt in der gewohnten Umgebung." Eine Betäubung mit dem Bolzenschussgerät, ein Schnitt. Würden die Festtagsbraten in spe zum Lohnschlachter gebracht, wären die letzten Lebensstunden purer Stress. Was sich - völlig unsentimental gesprochen - auch auf die Fleischqualität auswirkt. Fünfeinhalb bis sechs Kilogramm Gans sollten es schon sein - für sechs Leute.

Weil die Tiere auf Gut Schobbenhaus ihr ganzes Leben lang Auslauf haben, schrumpfen sie nicht wie andere Mastgänse im Bräter plötzlich zusammen. Im Gegenteil: Weil der Fettanteil so gering ist, rät Johannes Kircher, die Gänse aus seinem Betrieb auf der Brust liegend zu garen. Damit das Fleisch nicht zu trocken wird.

"Vor einigen Tagen kam eine Kundin des Hofladens zurück und warf mir vor, dass die Gans blaue Flecken hat und offenbar geschlagen wurde", sagt Kircher. Dieser Verbraucherin habe er weitere frisch geschlachtete Gänse gezeigt, die alle die gleiche Farben an den gleichen Stellen zeigen: "Da fehlt eben die Fettschicht, die anderswo weiß durch die Haut schimmert."

Nach den vielen Lebensmittelskandalen fragten etliche Kunden kritischer als früher nach, sagte Heidi Hein-Kircher, die den Hofladen führt. Die Furcht vor der für Menschen ungefährlichen Geflügelgrippe hat die Sorglosigkeit früherer Tage verscheucht.

In den Stall geht es seither über Spezialmatten, auf denen eine Desinfektionsflüssigkeit steht. So wird verhindert, dass die Erreger unter den Gummistiefelsohlen hineingetragen werden. "Ab einer Hitze von 50 Grad wird die Geflügelgrippe abgetötet", sagt Johannes Kircher. Dennoch wäre eine Anordnung, die Tiere ab sofort im Stall zu lassen, geeignet, die Arbeit eines ganzen Jahres zunichte zu machen.

Neben den rund 75 Hektar Ackerfläche leisten die Gänse und Enten einen wichtigen Beitrag zur Jahresbilanz des Gutes. Ausbauen will Kircher seine Geflügelabteilung dennoch nicht: "Dazu fehlen mir die geeigneten Hilfskräfte jetzt zur Vor- und Hauptsaison."

Für reine Saisonarbeiter falle nicht genug Arbeit an. Menschen, die bei Wind und Wetter und mit Verstand auf einem Hof wirtschaften möchten, seien extrem schwer zu finden, sagt der Landwirt. So bleibt der größte Geflügelbetrieb des Kreises Mettmann für Restaurants und Stammkunden eine feste Größe. Alle Jahre wieder.

(RP)
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