Marianne Radtke "Gänseblümchen machen gute Laune"

Hilden · Die Kräuterpädagogin hält viel von Giersch, Brennnessel und Co. Ein Interview zum heutigen "Ehrentag des Unkrauts".

 Marianne Radtke liebt Kräuter und weiß um ihre heilende Wirkung.

Marianne Radtke liebt Kräuter und weiß um ihre heilende Wirkung.

Foto: Matzerath

Südkreis Heute ist "Der Ehrentag des Unkrauts". Wir sprechen mit Marianne Radtke über das Kraut, das in Küche und Hausapotheke immer beliebter wird. Marianne Radtke ist Inhaberin des gleichnamigen Natursteinhofs in Reusrath, Kräuterpädagogin, Perma-Kultur-Designerin und Imkerin.

Frau Radtke, "Unkraut" ist in Mode gekommen, oder?

Radtke "Mode" ist Zeitgeist und Stil und aufgrund von gesellschaftlichen Prozessen immer im Wandel. Unkräuter sind seit Jahrhunderten aktuell - vor allem einheimische Wildkräuter oder Wildpflanzen. Sie alle fallen in die Kategorie der unerwünschten Pflanzen, sind spontane "Begleitvegetation" von Kulturpflanzen. Der Begriff ist übrigens nicht auf Kräuter beschränkt, sondern umfasst auch Gräser, Farne, Moose oder holzige Pflanzen.

Sie lieben Unkräuter und setzen sich für Pflanzen ein, die man früher mit Unkraut-Ex vernichtet hat. Warum?

Radtke Unkraut - das bedeutet so etwas wie "kein Kraut", also eine Pflanze, die es eigentlich nicht gibt. Gemeint ist aber ein Kraut, das es im gepflegten Beet nicht geben sollte. Dabei sind Unkräuter als so genannte Zeigerpflanzen sehr wichtig. In der früheren Landwirtschaft und heute in der Perma-Kultur nutzte und nutzt man sie wieder. Ein Stück Land, das Acker oder Garten werden sollte, wurde früher zunächst für ein Jahr brach liegen gelassen, um zu sehen, welche Pflanzen sich dort ansiedeln. Sie ließen Rückschlüsse auf die Bodenqualität zu. Die kann man auch heute noch ablesen. Darüber hinaus durchlüften die Wurzeln den Boden und verhindern das Auswaschen der Nährstoffe.

Viele Menschen preisen die Wildkräuter heute als gesunde Zutaten in Salat und Soßen.

Radtke Man kann in der Tat die meisten Wildkräuter essen. Viele enthalten wertvolle Vitamine und Mineralien und werden seit Jahrhunderten als Heilpflanzen geschätzt.

Sie mögen den Namen Unkraut nicht. Was haben Sie für einen Namen für Giersch, Löwenzahn

oder Brennnessel?

Radtke Super-Food am Wegesrand beispielsweise. Zum Beispiel Giersch oder Geißfuß. Als unerwünschtes Kraut im Garten ist sehr hartnäckig. Jäten regt das Wachstum sogar noch an. Besser ist es, ihn regelmäßig zu pflücken. Die jungen Blätter schmecken sehr gut im Salat oder auf italienische Art mit Zwiebeln und Knoblauch kurz gedünstet. Volksheilkunde und Homöopathie schätzten ihn als "Zipperleinskraut" gegen alle Arten Rheumatismus, Ischias und Gicht. Brennnessel ist in der Volksmedizin für ihre blutreinigenden und stoffwechselanregende Eigenschaften bekannt. Sie enthält genauso viel Eisen wie Spinat und außerdem sechsmal soviel Vitamin C. Für das Brennen, mit dem wohl schon jeder mal Bekanntschaft gemacht hat, ist das Histamin verantwortlich. Dies erklärt die heilende Wirkung der Pflanze.

Brennnessel können in der Tat sehr viel mehr als piksen, wenn man sie anfasst?

Radtke Und ob. In der biologischen Landwirtschaft dienen Brennnesseln als Dünge-, Pflanzenschutz- und Kompostierungsmittel. Sie gehören zu den wertvollen Futtermitteln und sind wichtig für Insekten - vor allem für Schmetterlinge, ihre Raupen ernähren sich von ihr.

Wie können Menschen sie zu sich nehmen?

Radtke Man verwendet nur die obersten, zarteren Blätter. In einen Smoothie gemixt oder gedünstet als aromatischer Spinatersatz braucht man keine Angst zu haben, dass man sich den Mund verbrennt. Die Samen kann man auch sammeln, sie sind sehr proteinreich und haben einen nussigen Geschmack.

Auch Löwenzahn kommt mittlerweile auf den Tisch. Warum?

Radtke Das stimmt. Man muss sich aber an ihn gewöhnen. Er ist bitter. Aber gerade die in vielen Gemüsen weggezüchteten Bitterstoffe sind gesundheits- und verdauungsfördernd. Sie sind basenbildend, aktivieren den Stoffwechsel, unterstützen die Leber und sind dadurch sehr kraftvolle Entgiftungsmittel.

In Italien und Frankreich gilt Löwenzahnsalat als Delikatesse. Was macht man daraus?

Radtke Aus den Blüten lässt sich ein süßes Gelee als Brotaufstrich kochen, Sirup oder Likör gewinnen. Wer einen gesunden Kaffee-Ersatz sucht, der die Verdauung fördert, kann es so machen wie unsere Großeltern: Gereinigte Löwenzahnwurzeln in kleine Stückchen schneiden und trocknen, dann in einer Pfanne oder auf dem Backblech rösten, bis sie dunkel werden und gut duften. In einer Kaffeemühle mahlen und das Pulver mit Wasser kurz aufkochen (je länger= je bitterer), ein Teelöffel auf eine Tasse. Eine dreiwöchige Frühjahrskur ist das tägliche Kauen von bis zu zehn Stängeln Löwenzahn; insbesondere bei Beschwerden der Bauchspeicheldrüse, bei chronischen Leberentzündungen, Abgeschlagenheit, Diabetes und bei Störungen der Milz kann es auf natürliche Weise helfen.

Haben Sie auch ein Beispiel, wie man mit Unkräutern Beete zaubert?

Radtke Die Gestaltung hängt von der Gartengröße ab. Unkräuter wachsen auch in Kästen- oder Topfgärten. Sie sind in jedem Garten wichtig, nicht nur für die Menschen, sondern auch für Insekten und Vögel. Eine Kräuter-Schnecke ist formschön und bietet verschiedene Pflanzregionen an - bis hin zum Tümpel für die Brunnenkresse.

Es ist ja wieder Bärlauch-Zeit - auch so ein Unkraut, das die Deutschen für die Küche entdeckt haben.

Radtke Der Bärlauch hat es tatsächlich geschafft und ist als Lebensmittel recht weit verbreitet. Ob im Brotaufstrich, im Quark oder zum Spargel - die mit dem Schnittlauch und Knoblauch verwandte Pflanzenart hat sich einen festen Platz gesichert. Das Wildgemüse wächst in Wäldern. Verarbeitet werden können alle Teile der Pflanze. Die Knospen, Blüten und Samen können in Salaten oder auch zur Tellerdekoration verwendet werden. Das Aroma verleiht einen knoblauchähnlichen Geschmack, der je nach Dosierung sehr intensiv sein kann. Angeblich soll man tags darauf nicht so riechen wie nach dem Genuss des beliebten Verwandten aus dem Süden.

Haben Sie ein Lieblingskraut, das Sie Gartenbesitzern zur Hege empfehlen?

Radtke Ja, allerdings. Sogar vier Frühjahrskräuter: Schafsgarbe, Gänseblümchen, Sauerampfer und Vogelmiere. Ich nehme sie für Pesto, Suppen, Salate, Frankfurter grüne Soße und Kräuterquark oder einfach zur Zierde wie das Gänseblümchen. Man kann sie zu Gänseblümchen-Gelee, aber auch im Honig verarbeiten oder in Salat oder Suppe. Bei schlechter Laune soll eine Tasse Gänseblümchen-Tee übrigens Stimmungsschwankungen entgegenwirken.

ISABEL KLAAS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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