Auf Ein Wort Sonja Schüller Erdwurf am Grab und der Advent

Hilden · Die Monate Oktober und November sind für uns Pfarrerinnen und Pfarrer immer sehr beerdigungsreich. Und wo Beerdigungen sich häufen, häufen sich auch die Beobachtungen, wie Menschen an Gräbern Abschied nehmen.

Mittlerweile entscheiden sich ja die allermeisten Angehörigen, wenn sie eine Beerdigung planen, Blumen oder Blütenblätter am Grab vorbereiten zu lassen, damit die Trauergesellschaft sich davon nehmen und beim persönlichen Abschied ins Grab werfen kann. Der Eimer mit Erde darin, der nach wie vor bei jeder Bestattung am Grab steht, bleibt sehr oft von der Trauergesellschaft ungenutzt. Beinahe ausschließlich die Pfarrerin oder der Pfarrer nehmen noch davon. Und zwar drei Mal verbunden mit den rituellen Worten "Erde zur Erde, Asche zur Asche, Staub zum Staube".

Eine Angehörige hat mir bei einem Beerdigungsgespräch zu diesem Thema einmal erklärt: "Wenn Sie als Pfarrerin den Erdwurf am Grab machen, ist das als Ihr kirchliches Ritual ok für mich. Aber wenn ich das tue, habe ich das Gefühl, ich werfe meinem geliebten Menschen Dreck hinterher".

Es ist sicherlich auch eine ästhetische Entscheidung, die hier gegen die Erde und für die Blumen getroffen wird. Blumen sind schön und bunt und sauber und fallen auch geräuschlos in ein Grab. Der Sinn dessen aber, dass eine Trauergesellschaft jeder und jeder für sich am Ende einer Bestattung kurz vor tritt und etwas in ein Grab wirft, ist der: Wir beginnen damit, symbolisch das Grab zu schließen.

Bevor die Friedhofsangestellten später als reinen Arbeitsauftrag, das Grab vollständig mit Erde auffüllen, erklären wir uns als Angehörige und Zugehörige vorher jeder und jede Schaufel für Schaufel symbolisch mit dieser Grablegung einverstanden. Wir beteiligen uns sogar symbolisch daran, dass dieser Mensch in der Erde begraben wird und zeigen, dass wir bereit sind, einen Menschen als lebendiges Gegenüber aus unserem Leben gehen zu lassen. Damit neue Lebensabschnitte wirklich beginnen können, müssen erst alte abgeschlossen werden.

Ich schreibe heute über dieses Thema, weil wir uns nach dem Kirchenkalender ja noch "zwischen den Jahren" befinden. Bevor die Adventszeit übermorgen beginnt, stehen wir heute noch unter dem Eindruck des letzten Sonntages im alten Kirchenjahr, dem Toten- oder auch Ewigkeitssonntag.

Bevor wir also mit adventlicher Hoffnung das neue Kirchenjahr annehmen, sollten wir noch Enttäuschungen und Unerfülltes aus dem alten ablegen und eventuell auch symbolisch begraben.

In dieser Hinsicht hat der Erdwurf am Grab etwas zu tun mit dem Eintritt in den Advent.

DIE AUTORIN IST PFARRERIN DER EVANGELISCHEN KIRCHENGEMEINDE HILDEN

(RP)
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