Hilden Eltern fordern eine Schule für alle

Düsseldorf · Die sporadische Integration behinderter Kinder geht den Mitgliedern von "Gemeinsam leben lernen" nicht weit genug: Sie fordern, mit dem gemeinsamen Unterricht in der Primar- und Sekundarstufe I das von den UN verankerte Menschenrecht auf Bildung auch in Hilden umzusetzen.

"All inclusive" ist das Urlaubs-Angebot, das Familien am liebsten buchen – denn in dieser Pauschale ist alles mit drin. Ein Konzept, das die vierköpfige Familie Rawe gern auf die Hildener Bildungslandschaft übertragen würde. Denn die im März auch von der Bundesrepublik ratifizierte UN-Konvention garantiert auch Tochter Catharina den freien Zugang zum gängigen Bildungssystem – zumindest theoretisch.

Schulbesuch wird schwierig

Denn die Fünfjährige hat Trisomie 21. "Schreiben Sie bitte nicht: Sie leidet am Down-Syndrom", sagt Anne Schunicht-Rawe – was nachvollziehbar ist, wenn man ihre fröhliche Tochter erlebt. Mit ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder besucht Catharina die Kita Karnaper Regenbogen – eine von zwei integrativen Einrichtungen in der Itterstadt. Wenn sie im August 2010 in die Schule kommt, wird es schon schwieriger. Zwar bieten mit Wiederhold, Elbsee und Schulstraße gleich drei Grundschulen eine integrative Eingangsklasse an, aber immer nur jährlich alternierend. Folge: Die beiden Sonderpädagogen pendeln und können im Krankheitsfall nicht vertreten werden.

Noch dünner wird die Luft an der weiterführenden Schule. Bislang bietet lediglich die Bettine-von-Arnim-Gesamtschule zwei Plätze pro Jahrgang für behinderte Schüler aus Hilden an. Zu wenig, finden die Mitglieder des 1986 gegründeten Elternvereins "Gemeinsam leben lernen", der mittlerweile 56 Mitglieder zählt. Deshalb wurde vor zwei Monaten zusätzlich die Initiative "Eine Schule für alle" gegründet, deren Kölner Dachverband sich für den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern an Regelschulen einsetzt.

Deutschland hinkt hinterher

"Denn da hinkt Deutschland mit seinem Förderschulsystem hinterher", erklärt Martin Rawe. Würden in Großbritannien, Portugal, Schweden und Norwegen über 90 Prozent der behinderten Kinder inklusiv, also in Regelklassen beschult, seien es bundesweit an die 15, in NRW sogar nur zehn Prozent. Vom gemeinsamen Unterricht profitieren seiner Ansicht nach nicht nur die behinderten Kinder: "Auch die starken Kinder festigen das Erlernte, wenn sie schwächeren Mitschülern etwas erklären."

Die jüngste Aussage von Barbara Sommer, dass "das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Förderbedarf deutlich ausgeweitet werden muss", finden die Rawes hingegen "schwammig: Die NRW-Schulministerin will Eltern zwar ein Wahlrecht für den Schulbesuch ihrer behinderten Kinder einräumen, sorgt aber nicht für die notwendige personelle Ausstattung." Denn wenn die Kinder nicht adäquat gefördert werden, sei für viele resignierte Eltern die klassische Förderschule doch wieder die einzige Alternative. Fazit von Anne Schunicht-Rawe: "Nicht das Kind, sondern die Schule muss integrationsfähig werden."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort