Hilden Das Weihnachts-Märchen vom verlängerten Gabentisch

Hilden · Der Spielzeugmarkt in der Hildener Stadthalle lockte am zweiten Weihnachtstag 50 Händler und mehr als 500 Sammler an.

 110Euro soll die digitale Rangierlok V140 kosten, dafür nimmt sie Walter Hoppe schon genau in Augenschein.

110Euro soll die digitale Rangierlok V140 kosten, dafür nimmt sie Walter Hoppe schon genau in Augenschein.

Foto: Staschik

Walter Hoppe bekommt eine Rangierlok in Originalverpackung. Stefan Wörder stellt fest, dass sein Schwiegervater Werner Gölz exklusive oder - um es geradeheraus zu sagen - kostspielige Wünsche hat. Und Jürgen Hörner freut sich über mehr als 500 Besucher. So war das gestern in der Stadthalle. Dort stellt der Spielzeugmarkt Adler seit 30 Jahren am zweiten Weihnachtsfeiertag die Signale auf Grün für alle, die sich gern im Spiel verlieren. An den Ständen der mehr als 50 Händler trafen sich Sammler und Sucher - kurz Menschen, deren Leidenschaft für alles maßstabsgerecht Verkleinerte riesengroß ist.

"Das ist hier ja eine Traditionsveranstaltung - deutschlandweit an diesem Tag nahezu ohne Konkurrenz und mit dem Weihnachtsfest vorneweg, an dem viele Geld geschenkt bekommen haben", zählt Jürgen Hörner die wichtigsten Zutaten des Hildener Erfolgsrezeptes auf. Aus Kassel, vom Niederrhein, aus Köln und aus dem Süddeutschen strömen die Händler herbei und verlängern den Gabentisch um etliche Meter und viele Minuten.

Bei Klaus Udo Knoll steht einer der nun nicht mehr geheimen Wünsche von Werner Gölz. Der 74-jährige Langenfelder träumt von einem Leiterwagen der Marke Schuco, Baujahr 1955. Damals gab es den mit ausfahrbarer Leiter, drei Feuerwehrleuten, funktionierenden Stellrädern und beweglichen Gummireifen für 67 D-Mark. Für viele Zeitgenossen des deutschen Wirtschaftswunders entsprach das einem Drittel Monatslohn. 950 Euro verlangt Händler und Sammler Knoll heute für die Feuerwehr, denn die ist komplett ohne Kratzer und zu 100 Prozent funktionstüchtig. Selbst die Gummireifen sehen aus, als käme das gute Stück direkt aus dem Spielzeugladen. "Der Vorbesitzer hatte sich kleine Unterstellböcke aus Holz für das Fahrzeuge gebaut", berichtet Händler Knoll. Von solchen Geschichten gibt es viele hundert hier im Raum. Denn neben den eindeutigen Qualitätsmerkmalen, der unversehrten Originalverpackung und einem guten Preis adeln jene Anekdoten jedes Sammlerstück. Bei Knoll in der Vitrine parkt unter anderem ein VW-Käfer für 950 Euro. Dafür gäbe es auf dem Gebrauchtwagenmarkt auch einen echten Käfer - allerdings bei weitem nicht in einem solch guten Zustand. "Momentan werden zahlreiche Sammlungen aufgelöst - es ist viel Ware unterwegs", beobachtet Markt-Macher Hörner. Gute Zeiten für Käufer; manche Anbieter mussten Preise senken. "Andererseits bekommen sie ihren Nachschub jetzt auch preiswerter", weiß Hörner.

Bei Michael Heider dröhnt laute Musik übers klassische Schienenoval. Eine rote Dieselrangierlok im klassischen Maßstab HO zieht einen Gesellschaftswagen aus den 50er Jahren, aus dem laute Diskomusik ertönt und Lichtblitze zucken. In Zeiten wie diesen ist so eine Modelleisenbahn auch nichts anderes als ein Netzwerk. Die Lok hat eine IP-Adresse und wird punktgenau von einem Fahrstand angesteuert. An dem kann Michael Heider sogar die Musiklautstärke nachregeln. "Könnte der Waggon auch ein anderes Lied spielen?" will einer auf der Kundenseite des Verkaufstisches wissen. "Ja, letztlich handelt sich um einen MP3 Player", sagt Heider und zieht zum Beweis eine fingernagelgroße Speicherkarte. 174 Euro soll die Disko auf Rädern kosten. Seit sich auch Modelleisenbahnen zu Hause mit dem WLAN-Netz verbinden, gewinnt das alte Hobby wieder vermehrt junge Anhänger.

(dne)
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