Analyse "Stillstand": Und Haan bewegt sich doch

Haan · Bei der Podiumsdiskussion der fünf Bürgermeisterkandidaten wurde der Vorwurf laut, in der Stadt herrsche Stillstand. Aber ist das wirklich so? Und welche Chancen hat der künftige Bürgermeister, Vorstellungen tatsächlich in die Praxis umzusetzen?

 Das ist der Bürgermeister-Stuhl im historischen Sitzungssaal. Wer ab Herbst darauf sitzt, entscheiden die Wähler am 13. und 27. September.

Das ist der Bürgermeister-Stuhl im historischen Sitzungssaal. Wer ab Herbst darauf sitzt, entscheiden die Wähler am 13. und 27. September.

Foto: rm-

Gleich mehrfach war bei der Diskussion der Bürgermeister-Kandidaten am Sonntag von Stillstand die Rede, der in Haan herrsche. Der Eindruck mag berechtigt sein, wenn man sich in der Innenstadt umschaut. Zahlreiche Geschäfte stehen seit Jahren leer. Ein Konzept, das endlich Bewegung in die Innenstadt bringen könnte, ist noch längst nicht in Sicht. Der 2006 aufgetauchte Traum von einem neuen Einkaufszentrum - einst fast einstimmig vom Rat vorangetrieben - hat anscheinend kaum noch Chancen. Zwei sichtbare Fortschritte gibt es an der Kaiserstraße: Die Stadt-Sparkasse erneuert ihre Hauptstelle und in Richtung Windhövel wird eine Baulücke geschlossen. - Allerdings sind das Veränderungen, die weder der Rat, noch der Bürgermeister angestoßen haben.

Stillstand in Haan? Der herrscht nicht wirklich - im Gegenteil. In den vergangenen elf Jahren sind Investitionen mit einem Gesamtvolumen von rund 40 Millionen Euro umgesetzt worden. Derartiges hat es in den Jahrzehnten zuvor nicht ansatzweise gegeben. Darauf sollten Rat und Verwaltung stolz sein und ihre Arbeit nicht kleinreden.

Die Stadt hat einen neuen Betriebshof in der Ellscheid gebaut. Das war die Voraussetzung für den Neubau der Feuer- und Rettungswache an der Nordstraße. Mehr als 20 Jahre lang war über dieses Projekt gestritten worden. Bis Auflagen der Unfallversicherung keinen anderen Weg mehr ließen, tatsächlich Pläne zu schmieden. Positiver Nebeneffekt: Die Feuerwehr ist attraktiver geworden und ein leicht steigendes Interesse an einer Mitarbeit dort wird verzeichnet.

Für die Grundschule Mittelhaan und die Musikschule wurde ein gemeinsames Gebäude an der Dieker Straße 69 errichtet. Beide Einrichtungen hatten zuvor untaugliche Räumlichkeiten. Nur ein Problem hat sich durch diese Erfolgsgeschichte ergeben: Die neue Schule ist so attraktiv, dass es in den für den Ganztagsbetrieb kalkulierten Räumen langsam eng wird.

Die Stadtbücherei am Neuen Markt erfreut sich nach ihrer jahrelang vorbereiteten Kernsanierung einer großen Nutzerzahl und hat sich als Medienzentrum am Schillerpark etabliert. Nach vielen Jahren des Wartens hat das Schulzentrum Walder Straße seit einem guten halben Jahr die neue Mensa. Daneben sind die Sporthallen Walder Straße und die Sporthalle Adlerstraße grundsaniert worden.

Und jetzt steht der Neubau des Gymnasiums Adlerstraße an. 26 Millionen Euro soll das Unternehmen kosten, das dem städtischen Gymnasium zeitgemäße und zukunftsfähige Räume bescheren soll. Der Altbau - mehr als 40 Jahre alt - ist in Teilen PCB-belastet. Eine Sanierung - dabei wird ein Bauwerk auf den Rohbauzustand zurückgesetzt, um alle belasteten Materialien loszuwerden - hätte im Ergebnis zwar ein neues Bauwerk gebracht, das aber nicht den Erfordernissen von Schule heute entsprochen hätte. Im Übrigen wäre die Sanierung in etwa genauso teuer geworden wie nun der Neubau.

Stillstand in Haan. Das gilt für die technische Ausstattung des Rathauses. Die Computer- und Netzwerktechnik ist veraltet, die Telefonanlage museumsreif. Allerdings: Jahr um Jahr fallen die nötigen Investitionen dem Spar-Zwängen zum Opfer. Denn viel Geld und Arbeit mussten in Unterkünfte für Flüchtlinge gesteckt werden, die Haan unterzubringen hat.

In den nächsten Monaten werden die fünf Bürgermeister-Kandidaten um Wählerstimmen werben. Da wird es viele Ideen geben und der ein oder andere Bürgerwunsch wird scheinbar aufgegriffen. Aber: Wohltaten hat die Stadt nicht zu verteilen. Das gibt die Kasse nicht her, die schon heute manchen Scheck auf die Zukunft gezogen hat.

Kein Bürgermeister - wer auch immer es ab 27. September nach Auszählung der Stichwahlstimmen sein wird - kann ohne Mehrheiten im Stadtrat arbeiten. Und: Der Verwaltungschef muss die Beschlüsse des Stadtrates umsetzen. Nicht der Bürgermeister entscheidet, was in der Stadt geschieht, sondern die Politik. Jede gute Idee muss abgeklopft werden, ob sie machbar, sinnvoll und vor allem finanzierbar ist.

Außerdem gilt: Die Bürger müssen mitgenommen werden. Vor allem früh genug vor Entscheidungen. Denn Widerstand mündet allzu oft in Gerichtsverfahren, die zeitweise wirklich nach sich ziehen, was niemand in Rat, Verwaltung und Bürgerschaft haben will: Stillstand in Haan.

(RP)
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