Haan Neues Leben zieht in alte Besteckfabrik

Haan · Nach der Insolvenz von Michelin stand das Werk an der Böttingerstraße leer. Jetzt soll es Heimat für Kleingewerbe sein.

 Montageleiter Gabriele Mariniello mit einem Sonnensegel, das er gleich auf das Gerüst spannt. Es ist sechs mal sieben Meter groß.

Montageleiter Gabriele Mariniello mit einem Sonnensegel, das er gleich auf das Gerüst spannt. Es ist sechs mal sieben Meter groß.

Foto: Ralph Matzerath

Verblasst wirkt der grüne Schriftzug auf der weißen Fassade. "Michelino Bestecke" ist darauf zu lesen. Doch die Firma Michelin (Markenname: Michelino) gibt es schon lange nicht mehr an der Böttingerstraße: 2012 schloss der Betrieb nach Insolvenz - eine Jahrzehnte lange Tradition fand ihr Ende. 15 Mitarbeiter mussten sich neue Perspektiven suchen. Jetzt füllt sich der Standort mit neuem Leben: Mehrere Kleingewerbebetriebe ziehen ein. Den Anfang machte "Infinity Shade Sales", in dem die Prototypen moderner Sonnensegel hergestellt werden.

Mauern aus rotem Klinker und ein Sheddach verströmen noch den Charme eines alten Industriestandorts. In acht Jahrzehnten entstanden bei Michelin an der Böttingerstraße unzählige Messer, Gabeln, Löffel und anderes für den gut gedeckten Tisch. 1931 wurde der Betrieb von Hugo Reininghaus und Friedrich Schmidt gegründet. Seit 1985 gehörte das Unternehmen zum Krefelder Besteckhersteller Michelin. Zu Glanzzeiten wurden Monat für Monat 80 000 bis 100 000 Stück Besteck gefertigt und in bis zu 15 Arbeitsschritten veredelt. Allein das Werkzeug für einen Löffel schlug schnell mit 15 000 Euro zu Buche, erzählt Ulrich Reininghaus (62), Betriebsleiter in Haan und Enkel des Firmengründers. Doch der Markt änderte sich. Immer mehr Fachgeschäfte schlossen, die Nachfrage nach hochwertigem Besteck brach ein. Kaum ein Kunde sei mehr bereit, 200 Euro für ein 24-teilige Besteckset auszugeben, sagte bei der Schließung Michelin-Geschäftsführer Edgar Herbst. Daher wurde die letzte Ware Ende 2011 bei einem Werksverkauf abgegeben. Erst später wurden die Maschinen abgebaut.

Der Inhaber der Immobilie, Ulrich Reininghaus, steckte zwischenzeitlich viel Geld in die Brache, um sie an die modernen Brandschutzvorschriften anzupassen. Die Investitionssumme war höher als geplant, "wenn ich das vorher gewusst hätte", sagt er ein wenig bitter. Umso erfreuter ist er, dass nun wieder Leben in das 900 Quadratmeter Nutzfläche umfassende alte Gebäude einkehrt: "Infinity Shade Sales" heißt die Firma, die den Anfang machte. Der Standort Haan sei vor allem wegen seiner Nähe zu Düsseldorf und dem Ruhrgebiet attraktiv, sagt Chefdesigner Rainer Wronka, der die Firma gemeinsam mit Andreas Konwerski betreibt. Nach Sonnensegeln gebe es wegen des starken Trends zum "Outdoor-Living" eine immer größere Nachfrage. Längst wird auch europaweit ins Ausland geliefert. In Haan befindet sich der Prototypenbau. Zwei Mitarbeiter fertigen die neuesten Entwürfe an und erproben sie. Montageleiter Gabriele Mariniello gefällt sein Arbeitsplatz: "Hier ist es hell - und ruhig."

Weitere Kleingewerbebetriebe sollen nach und nach in das Industriegebäude einziehen. Handwerker richten die Räume zurzeit für weitere Mieter her.

(RP)
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