Frieder Angern "Lieber selbst fürs Lebensende vorsorgen"

Haan · Der Haaner Awo-Ortsvorsitzende spricht über Selbstbestimmung. Er moderiert dazu eine Diskussion mit Prominenten

 Was würden Sie in Ihren Koffer für die letzte Reise packen? Das fragten Frieder Angern, Helmut Taufer und Jutta Barz (v.l.) kürzlich.

Was würden Sie in Ihren Koffer für die letzte Reise packen? Das fragten Frieder Angern, Helmut Taufer und Jutta Barz (v.l.) kürzlich.

Foto: Olaf Staschik

Herr Angern, in der Diskussionsrunde, die Sie leiten, wird "Sterbehilfe" auch ein Thema sein. Haben Sie für sich selbst schon entschieden, ob es eine Situation geben könnte, in der Sie eine solche Möglichkeit in Anspruch nehmen würden?

Frieder Angern Das kann ich mir im Sinne einer Beihilfe zur Selbsttötung nicht vorstellen. Passive Sterbehilfe ja: Ich habe in der Patientenverfügung meine ganz persönlichen Vorstellungen formuliert. Allerdings weiß ich nicht, in welche Krankheitssituation ich kommen werde und wie ich dann darüber denke. Es ist möglich, dass ich meine Ansicht dann noch ändern würde.

Es gibt Krankheitsverläufe, die auch mit der besten palliativen Versorgung nicht gut behandelbar sind. Ist der Wunsch nach Sterbehilfe in einer solchen Situation nicht menschlich und nachvollziehbar?

Angern Natürlich ist er das. Das ist immer eine zutiefst persönliche Frage, in der man keine allgemein moralischen Maßstäbe anlegen sollte. Aber es ist eben auch so, dass die Zurückbleibenden damit leben müssen.

Immer wieder hört man davon, dass Sterbenskranke noch operiert, mit Chemotherapien behandelt oder mit künstlicher Beatmung am Leben gehalten werden, weil Kliniken jenseits von Fallpauschalen damit Geld verdienen können. In Ihrer Runde wird auch ein Palliativmediziner des Haaner Krankenhauses sitzen. Werden Sie Ihn darauf ansprechen?

Angern Ja, selbstverständlich weiche ich solchen Fragen nicht aus. Wir möchten mit der Diskussion nicht an der Oberfläche bleiben. Das Thema kann nur mit einem offenen und ehrlichen Gespräch aus der Tabuzone geholt werden und ich hoffe, dass das gelingt.

Und wie sehen Sie die Sache selbst?

Angern Ich habe von solchen Fällen natürlich auch gehört. Allerdings glaube ich auch, dass sich die Kliniken umstellen müssen. Beispiele, die ich kenne, zeigen, dass in Krankenhäusern die Palliativmedizin an Bedeutung gewinnt. Es geht doch vor allem um das Vertrauen zwischen Arzt und Patient.

Ist eine solche Hoffnung realistisch vor dem Hintergrund, dass Krankenhäuser auch wirtschaftlichen Zwängen unterworfen sind und man zwangsläufig versucht, dort Geld zu verdienen, wo keine Fallpauschalen vorgeschrieben sind?

Angern Ich denke schon. Am Willen des Patienten geht kein Weg vorbei. Wenn er vorgetragen wird oder in einer Patientenverfügung festgehalten wurde, müssen sich Ärzte daran halten.

Oft ist es doch so, dass sich Schwerkranke an jede Hoffnung klammern. Wird eine Behandlung mit eben dieser Hoffnung vermittelt, werden sie auch Angehörige kaum abschlagen können. Wie soll man Vertrauen zu Ärzten aufbauen, die ökonomischen Zwängen unterworfen sind?

Angern Das ist sicherlich eine schwierige Frage. Natürlich fehlt dem Sterbenden in einer solchen Situation oft die Kraft, um noch Debatten mit dem Arzt zu führen. Dann können Angehörige für ihn eintreten. Aber auch das geht nur, wenn schon vorher über alles gesprochen wurde.

Es fällt sicher niemandem leicht, sich in eine solche Lebensphase hineinzudenken und vorher festzulegen, was man sich dafür wünscht und vorstellt, oder?

Angern Da haben Sie recht. Aus meiner Erfahrung als Leiter einer Gesprächsgruppe zum Thema "Vorsorge" weiß ich, dass es längst nicht selbstverständlich ist, über diese Dinge miteinander zu sprechen. Vieles bleibt tabu, bis der Ernstfall manchmal recht plötzlich eintritt und keine Zeit mehr bleibt, um darüber zu sprechen. Noch nicht mal Ehepartner wissen immer, was der andere sich vorstellt. Umso wichtiger ist es, auch über das Lebensende zu reden, bevor man selbst und diejenigen, die einen in dieser Lebensphase begleiten sollen, sich unvorbereitet in einer solchen Situation wiederfinden.

Um dann in einer Patientenverfügung das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen?

Angern Vom bloßen "Kreuzchenmachen" rate ich dringend ab. Eine solche Verfügung hält juristischen Nachfragen nur stand, wenn daraus ersichtlich wird, dass der Betroffene sich ernsthaft damit auseinandergesetzt hat. Aber auch jenseits rechtlicher Fragen ist es wichtig, seine eigenen Wertvorstellungen genau und möglichst ausführlich zu formulieren.

SABINE MAGUIRE STELLTE DIE FRAGEN.

(magu)
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