Taktiles Pflaster In Haan landen Blinde im Blumenbeet

Haan · Taktiles Pflaster auf dem Boden soll Sehbehinderten dabei helfen, sich zurechtzufinden. Doch in Haan führt es sie auf dem Sparkassen-Vorplatz geradewegs in ein Blumenbeet. Was auf den ersten Blick wie eine Fehlplanung wirkt, ist ein in Stein gepflasterter Kompromiss zwischen Stadt und Sparkasse.

 Gaby Bongard zeigt die Problemstelle: Das eine Ende des weißen Pflasterbandes führt zum Ampel-Überweg, das andere ins Blumenbeet.

Gaby Bongard zeigt die Problemstelle: Das eine Ende des weißen Pflasterbandes führt zum Ampel-Überweg, das andere ins Blumenbeet.

Foto: ola

Wie funktioniert ein taktiles Pflaster? Das Tiefbauamt ist per Ratsbeschluss gehalten, bei Neuanlage von Gehwegen Pflastersteine einzusetzen, die es Sehbehinderten ermöglichen, sich mit dem Taststock zu orientieren. Noppenfelder zeigen an, dass sich im Umkreis bald etwas verändert. Die Rillen zeigen an, in welcher Richtung der Weg weiterläuft. Im Falle der Kaiserstraße liegt das Problem unter anderem in den Eigentumsverhältnissen.

Was sagt die Stadt? Torsten Fischer vom Tiefbauamt erklärt, dass das Gelände des Sparkassen-Vorplatzes im Eigentum des Geldinstitutes stehe. Die Sparkasse habe die Gestaltung bezahlt und auf ihrem Gelände kein taktiles Pflaster haben wollen. Damit die (städtischen) Steine dann nicht irgendwo enden, sei ein Kompromiss gesucht worden, der in den Gestaltungsplan der Bank hineingepasst habe. Das Rillenband führe eigentlich zur Ampel hin. Ein Sehbehinderter werde auch das Verkehrsgeräusch zur Orientierung verwenden, sagt Fischer. Und eben nicht ins Blumenbeet laufen. "Das ist nicht ideal - das wissen wir. Aber es war nicht anders möglich", bedauert der Tiefbau-Experte.

Wie sieht die Stadt-Sparkasse die Angelegenheit? Zur Vorplatzgestaltung habe es einen Abstimmungstermin gegeben, an dem das Tiefbauamt und auch der Behindertenbeirat vertreten war. "Es ist am Ende so gestaltet worden, wie das einvernehmlich vereinbart worden ist", erklärt Nina Schmitz-Steingröver, Sprecherin der Stadt-Sparkasse. Die Planung sei am Ende auf das Sparkassen-Grundstück fokussiert geblieben. Denn die Stadt-Sparkasse dürfe ja keine städtischen Aufgaben übernehmen. Ende 2014 war damit begonnen worden, den Altbau der Sparkasse zu modernisieren und um einen Neubau für die Schalterhalle zu vergrößern. Zugleich entstanden ein Bäckerladen, und das Eckhaus wurde neu errichtet. Im Sommer vorigen Jahres war das Gesamtprojekt vollendet.

Was sagt eine Sehbehinderte? Gaby Bongard, eine der drei Behindertenbeauftragten der Stadt Haan, ist stark sehbehindert. Sie hat einen Führhund und ist mit dem Taststock unterwegs. Sie erklärt, wie sich eine blinde Person anhand des Pflasters orientiert. Ein Aufmerksamkeitsbereich mit Noppen zeige an, dass sich in anderthalb Metern Entfernung etwas verändere. Die Rillen der weißen Steine zeigen die Richtung an. An der Sparkasse bestehe das Problem weniger für Menschen, die die Ampel zur Post überqueren wollen, sondern für diejenigen, die in Richtung Sparkasse laufen.

Gibt es eine Lösung? Das Problem könnte nach Auffassung von Gaby Bongard relativ einfach entschärft werden. "Wenn die letzten Steine der Rillen-Reihe durch Noppen ersetzt werden, wüsste man, dass gleich eine Änderung - die Umrandung des Blumenbeetes - kommt. Es wäre aber auch denkbar, die letzten Rillensteine um 90 Grad zu drehen. Dann wäre klar, dass der Weg dort nicht mehr weitergeht."

Was sagt der Behindertenbeauftragte? Grundsätzlich bindet das Tiefbauamt die Behindertenbeauftragten in Gestaltungsfragen ein. Dieter Smolka erklärt, das Trio der Behindertenbeauftragten fühle sich gut einbezogen. Erst am Dienstag habe es ein ausführliches Gespräch im Tiefbauamt über den barrierefreien Umbau von fünf Bushaltestellen gegeben. Im Falle der Kaiserstraße sei erst jetzt klar geworden, dass der angesprochene Bereich gar nicht im Eigentum der Stadt Haan steht. Auch er regt ein Aufmerksamkeitsfeld vor dem Blumenbeet oder eine Drehung der Rillensteine an.

Was wird sonst noch getan? "Wir glauben, dass unsere Anregungen zur Gestaltung der Barrierefreiheit gern aufgegriffen werden", sagt Dieter Smolka. Torsten Fischer bestätigt das mit einer ganzen Liste von Umbauten. Auf dem Gehweg an der Königstraße habe die Stadt mit dem speziell verlegten Pflaster angefangen. Beim Kreisverkehr vor der Felsenquelle, an Kreuzungspunkten entlang der neu gestalteten Dieker Straße, bei Querungshilfen in Höhe Bahnhof, Aldi Unterhaan und auf der Bahnhofstraße in Höhe Luisen- und Jägerstraße sei Orientierungspflaster verlegt worden. "Wir gehen auf die Belange der mobilitätseingeschränkten Personen ein", stellt Fischer klar. Vor der Sparkasse habe es aber keinen Sinn gemacht, die Pflasterlinien mitten auf der Fläche enden zu lassen. Er betont noch einmal: "Das ist da nicht aus einer Laune entstanden. Den Kompromiss mussten wir einfach schließen." Mehr Einfluss habe die Stadt da nicht gehabt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort