Haan Gedenkminute am neuen Stolperstein

Haan · Geschichtsbewusste Gruitener erinnern an den ermordeten Kommunisten Max Kramer und berichten neue Details über sein Schicksal.

 Hanna Eggerath würdigt Max Kramer mit einer roten Rose. Auch andere legten Blumen nieder.

Hanna Eggerath würdigt Max Kramer mit einer roten Rose. Auch andere legten Blumen nieder.

Foto: Staschik Olaf

Im Bürgersteig vor dem Haus Fliederstraße 3 ist ein messingfarbener Stein einbetoniert. Der "Stolperstein" erinnert an den Kommunisten Max Kramer, der 1933 hier gewohnt hat und von Nazis ermordet worden ist. Etwa 20 Leute sind gekommen, um am neuen Stolperstein mit einer Gedenkminute an Kramer zu erinnern. Neu ist der Stein, weil er alte im Herbst 2015 von Unbekannten herausgebrochen und gestohlen worden war.

Lothar Weller vom Gruitener Geschichtsstammtisch freut sich, "dass diesmal mehr Menschen gekommen sind als bei der Verlegung des ersten Steins 2007" und kritisiert zunächst den Umgang der Stadt mit dem Verlust. Dieter Posthum, Schiedsmann aus dem Stadtteil, habe den offensichtlichen Diebstahl am 6. Oktober der Polizei gemeldet. "Es gab rundherum Hebelspuren."

Die Stadt Haan habe aber erst auf Nachfrage des Geschichtsstammtisches einen Monat später reagiert und sich beeilt, das Loch im Bürgersteig mit einem normalen Pflasterstein schließen zu lassen: "Andere Städte schalten bei Diebstahl oder Überpinselung eines Stolpersteins den Staatsschutz ein", sagt Weller. "Diese Nicht-Kenntnisnahme ist für mich ein Skandal." Die Anwesenden, Mitglieder des Gruitener Geschichtsstammtischs und ähnlicher Organisationen aus der Nachbarschaft, eines weiteren Gruitener Stammtischs, der den neuen Stein finanziert hat, aber ungenannt bleiben will, und die Lokalhistorikerin Hanna Eggerath aus Erkrath widersprechen ihm nicht.

Max Kramer (35) bezahlte seinen Widerstand gegen die Nazis mit dem Leben. Der Vater von zwei Töchtern wurde in der Nacht zum 26. Juli 1933 von der SA aus seiner Wohnung in Gruiten geholt und später als "unbekannter Toter" auf einer Straße liegend in Wuppertal gefunden.

Hanna Eggerath hat eine ganz besondere Beziehung zu dem Ermordeten: "Meine Mutter Mathilde Eggerath saß mit Kramers Frau Helene im Gefängnis und schrieb meinem Vater im KZ Börgermoor nach Kramers Ermordung: ,Jetzt sind hier noch die drei dienstältesten Schutzhäftlinge Käthe Rische, Leni Kramer (die inzwischen Witwe geworden ist) und ich.'" Tochter Hanna hat nicht nur die Geschichte ihrer Eltern, die wie die Kramers Kommunisten waren, aufgeschrieben. Sie kennt auch Max Kramers Geschichte bestens. Recherchiert hat diese allerdings die Haaner Archivarin Birgit Markley 2014.

In Gruiten berichtet Eggerath, was in der Nacht vom 25. auf den 26. Juli passiert ist: "Mehrere SA-Leute haben in der Gastwirtschaft Neanderhöhle bis Mitternacht gesoffen und dann beschlossen, den Max Kramer zu ,besuchen'", sagt sie mit sarkastischem Unterton. Sie hätten den 35-jährigen Arbeiter aus dem Haus geholt, ihm dabei den Arm gebrochen und in ihr Auto verfrachtet. "Die sind sturzbetrunken nach Elberfeld gefahren und haben an einem Waldstück an der Straße In der Beek sieben Schüsse auf ihn abgegeben." Kramer sei verblutet, seine Familie erfuhr erst Tage später von seinem Tod.

Bei der Verlegung des ersten Stolpersteins sei man noch davon ausgegangen, dass Kramer erschlagen worden war. Deswegen wurde jetzt die Inschrift auf dem neuen Stein leicht verändert.

Das Leid der Gruitener Familie Kramer war damit noch nicht beendet. Max Kramers Mutter starb wegen der ganzen Aufregungen, seine Frau Helene saß monatelang im KZ Brauweiler und erhielt hinterher keine Arbeit. 1946 wurde Helene Kramer als politisch Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt. Sie starb 1993 in Wuppertal.

(ilpl)
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