Grevenbroich Wenn die Halde zur Tour der Leiden wird

Grevenbroich · Wer als Rennradfahrer von der Vollrather Höhe in Allrath hört, bleibt in der Regel sehr gelassen. Es geht ja nur 2,4 Kilometer bergauf und das mit moderater Steigung. Aber was reizt Radler daran, am Bergzeitfahren des TSV Bayer Dormagen auf der Vollrather Höhe teilzunehmen? Ein Erfahrungsbericht.

 Start frei: Im Minutentakt ging es hoch auf die Vollrather Höhe. Vom Allrather Friedhof ging's 2,4 Kilometer den Berg hinauf.

Start frei: Im Minutentakt ging es hoch auf die Vollrather Höhe. Vom Allrather Friedhof ging's 2,4 Kilometer den Berg hinauf.

Foto: A. Tinter/M. Roszinsky

Nach der Fahrt am Samstag kann ich sagen: Auch der Col d'Allrath lässt die Beine wie Feuer brennen. Und zwar dann, wenn man die Strecke vom Allrather Friedhof bis zum "Gipfel" mit allem bezwingt, was die Beine hergeben.

Kurz nach 13 Uhr: Das schöne Wetter hat Radler aus der ganzen Region angelockt, sogar aus Köln sind sie gleich in Gruppen angerollt. Bei der Anmeldung ist eine kleine Schlange, doch die Organisatoren haben alles im Griff. Einige Fahrer warten auf den Start, andere treffen auf bekannte Gesichter, nutzen die Gelegenheit für ein Schwätzchen. Gesprächsthema: Die Bestzeiten natürlich - wer ist der Schnellste? Die Stimmung ist trotz aller Konkurrenz locker. Balsam für die Radler-Herzen, die sich das erste Mal an ein Bergzeitfahren wagen.

 Autorin Mareike Roszinsky auf dem Weg ins Ziel.

Autorin Mareike Roszinsky auf dem Weg ins Ziel.

Foto: ros

Jeder Starter bekommt eine Nummer auf den Rücken und eine Startzeit. Die Starts erfolgen im Minutentakt. Meiner ist um 13:31 Uhr. Ein letzter Blick nach unten: Ist der richtige Gang drin? Ein Helfer hält mein Rennrad hinten fest, der Countdown läuft, ich warte - bereit, mit Vollgas in die Pedale zu treten. Da fühlt man sich fast wie ein Profi.

Und los - ich stehe auf und trete voller Kraft an. Die ersten Meter fühlen sich ganz gut an, es geht schnell vorwärts. Als ich genug Schwung habe, geht's zurück in den Sattel, bloß den Rhythmus halten. Doch schon nach 200 Metern keuche ich, besser mal einen Gang zurückschalten. Beim Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass ich beim Start das Drücken vergessen habe. Ok, also keine Zeitkontrolle. Gut, dass die TSV-Organisatoren das mit der Zeit übernehmen. Nach 1000 Metern wird das Keuchen noch lauter, die Beine fangen an zu brennen. Ich rechne kurz: 1400 Meter noch! "Ziehen, drücken, ziehen, drücken", das Rennfahrer-Mantra beginnt mich bei jeder Pedalumdrehung zu begleiten. "Wieso ist der Berg heute eigentlich länger als beim Training?" Gerade als ich kurz davor bin mich zu fragen, warum ich das eigentlich mache, kommt das Stimmungsnest. Einige Enthusiasten machen richtig Lärm, einer läuft sogar ein paar Meter neben mir her. Das gibt moralischen Schub! Ich trete wieder kräftiger in die Pedale, ignoriere die inzwischen chronische Atemnot. Nur noch 500 Meter, ich kann die letzte Kurve schon sehen, direkt dahinter ist der Zielbogen. "Die können mein Keuchen bestimmt bis ins Ziel hören", schießt es mir durch den Kopf.

 Kurz vor dem Start: Bereit, um kräftig in die Pedale zu treten.

Kurz vor dem Start: Bereit, um kräftig in die Pedale zu treten.

Foto: Roszinsky

Dann verselbstständigt sich irgendwie alles, die Bäume am Rand verschwimmen ein wenig, ich stehe auf, schalte ein, zwei, drei Mal, bevor ich die letzten 50 Meter gen Ziel sprinte. Viele feuern mich auf den letzten Metern an, ich höre die Rufe, aber erkenne die einzelnen Gesichter nicht. Wo ist die weiße Linie? Endlich bin ich unter dem Zielbogen durchgerollt. Ein bisschen weitergerollt, dann klicke ich mich aus und muss erst mal durchschnaufen. Wahnsinn, was für eine Quälerei und ein Spaß in einem.

 Insgesamt 92 Radler aus der Region nahmen am Bergzeitfahren teil.

Insgesamt 92 Radler aus der Region nahmen am Bergzeitfahren teil.

Foto: Tinter Anja

Insgesamt 97 Radler haben den "Col d'Allrath" bezwungen, inklusive Bürgermeister Klaus Krützen, der die Strecke in neun Minuten und 37 Sekunden schaffte und in der Gesamtwertung auf dem 94. Platz landete "Es war anstrengend, aber es hat geklappt", sagte er. Bester Fahrer war Karsten Klein: Der Radler vom RV "Blitz" aus Spich war in vier Minuten und 35 Sekunden oben. Ganze vier Minuten und 45 Sekunden schneller als ich. Das bedeutet: Platz 90. Immerhin. Das wäre sicherlich besser gelaufen, hätte ich nicht diese blöde Selfie unterwegs machen müssen. . .

(NGZ)
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