Grevenbroich Stonehenge-Prinzip prägt Grevenbroich

Grevenbroich · Christian Wiltsch hat sich in seiner Dissertation mit der Ausrichtung von Kirchbauten beschäftigt. Diese orientierte sich über Jahrhunderte am Sonnenauf- beziehungsweise -untergang. Wiltsch spricht daher auch vom "Stonehenge-Prinzip".

 Der Bauingenieur Christian Wiltsch beschäftigt sich gerne mit Heimatgeschichte. In seiner Dissertation untersuchte er die Ausrichtung von Kirchbauten - und fand dabei jede Menge Besonderheiten heraus.

Der Bauingenieur Christian Wiltsch beschäftigt sich gerne mit Heimatgeschichte. In seiner Dissertation untersuchte er die Ausrichtung von Kirchbauten - und fand dabei jede Menge Besonderheiten heraus.

Foto: M. Reuter

Der Titel klingt nach einem ziemlich spektakulären Kriminalfall. "Das Stonehenge-Prinzip im Grevenbroicher Stadtplan" lautet er - und wo Dan Brown eine wilde Verschwörungstheorie entwickeln würde, liefert Christian Wiltsch ein spannendes Stück Heimatgeschichte. Der 51-Jährige hat sich auf die Spur nach dem "Stone-henge-Prinzip" begeben - allerdings weniger als Ermittler, sondern als Forscher. Mit diesem Prinzip liefert der Bauingenieur, der in Neukirchen seine Jugend verbrachte, eine wichtige Erkenntnis seiner an der RWTH Aachen verfassten Dissertation: Die Kirchen im Grevenbroicher Stadtgebiet sind in ihrer Bauweise in einer speziellen Neigung nach der Sonne ausgerichtet. Über seine Erkenntnisse wird er am Donnerstag, 24. September, ab 20 Uhr in der Villa Erckens berichten.

Das sagenumwobene Stonehenge in der Nähe der englischen Stadt Salisbury soll als Kultstätte schon um 3100 vor Christus existiert haben. Der Eingang der Stätte zeigt exakt in die Richtung, in der die Sonne zur Sommersonnenwende auf- und zur Wintersonnenwende untergeht. "Einem ähnlichen Prinzip folgen auch die christlichen Kirchbauten", sagt Wiltsch. Als "Heliometrie" wird diese Orientierung am Sonnenauf- beziehungsweise Sonnenuntergang in der Wissenschaft bezeichnet. Allgemein geht es dabei um die Ausrichtung der Kirchenachsen nach Osten - die sogenannte Ostung. Schließlich steht der Sonnenaufgang im Osten symbolisch für die Auferstehung. "Zugleich verkörpert die aufgehende Sonne die Zukunft der Kirche", sagt Wiltsch. Doch beim Betrachten von Kartenmaterial fiel ihm auf, dass die Ausrichtung der Gotteshäuser nie genau in Richtung Osten falle. "Es gibt stets eine gewisse Neigung. So weicht die Kirche in Neukirchen zum Beispiel um zehn Grad in Richtung Norden, die Pfarrkirche St. Peter und Paul hingegen um 20 Grad nach Süden ab", sagt der Experte für Heimatgeschichte. "Da stellt man sich die Frage nach dem Warum. Ich erhielt keine befriedigende Antwort und fing selbst an zu forschen."

Mehr als 1000 romanische und frühgotische Kirchen in NRW hat Christian Wiltsch für seine Dissertation untersucht. Dabei gelangte er zu dem Schluss: Die Abweichung von der sogenannten Ostung lässt sich flächendeckend feststellen - und diese genaue Ausrichtung der Kirchenachsen erfüllt stets einen Zweck. "Sie richtet sich zum Beispiel nach Sonnenständen an Kirchweih und Patronatsfesten in den jeweiligen Gemeinden", meint Wiltsch. Die hohen kirchlichen Feiertage hinterließen so auch architektonisch Spuren im Stadtbild. Die Kirchenväter hatten einen weiteren Grund für die vom Osten leicht abweichende Ausrichtung. An den hohen kirchlichen Feiertagen strömen stets selbst weniger regelmäßige Kirchgänger zur Messe - und können das an einem Punkt der Kirche genau ausgerichtete Spiel mit der Sonne bestaunen.

Wie dies in Grevenbroich aussieht, wird Christian Wiltsch bei seinem Vortrag in der Villa Erckens berichten. Er trägt - als Ergänzung zum "Stonehenge-Prinzip" - den Zusatz "Über die Ausrichtung der Grevenbroicher Kirchbauten" im Titel. Der Eintritt ist frei.

(NGZ)
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