Grevenbroich Platz erinnert an ehemalige Synagoge

Grevenbroich · In den 1990er Jahren wurde aus dem Zünfte- der Synagogenplatz. Er erinnert an das jüdische Gotteshaus, das in der Pogromnacht 1938 geschändet wurde. Autor Ulrich Herlitz ist Mitglied des "Arbeitskreises Judentum" in Grevenbroich.

 Die von Ulrich Herlitz erstellte Collage zeigt die niedergelegte Synagoge (1939) auf dem späteren Zünfteplatz. In den 1990er Jahren setzte sich eine Bürgerinitiative dafür ein, dass der Platz seinen heutigen Namen erhielt.

Die von Ulrich Herlitz erstellte Collage zeigt die niedergelegte Synagoge (1939) auf dem späteren Zünfteplatz. In den 1990er Jahren setzte sich eine Bürgerinitiative dafür ein, dass der Platz seinen heutigen Namen erhielt.

Foto: Herlitz

In der sogenannten "Reichskristallnacht" des 9. Novembers 1938 ging weit mehr als nur Glas zu Bruch. Neben der Demütigung, Entrechtung und Misshandlung in dieser Pogromnacht und der Inhaftierung der deutschen Juden in das KZ Dachau, um ihre Emigration zu forcieren, durften die jüdischen Gemeinden vor allem ihre Gotteshäuser nicht wieder nutzen. Wertvolle Kultgegenstände wurden beschlagnahmt, die Synagogen niedergelegt, die dazugehörigen Grundstücke mussten zwangsweise verkauft werden.

Die geschändete Grevenbroicher Synagoge auf dem Grundstück an der Kölner Straße erinnerte noch einige Monate jeden Passanten der Innenstadt daran, was in jener Nacht geschehen war. Erst Anfang Februar 1939 ergingen die Richtlinien für den Abriss der Ruinen von Synagogen durch Reichsministerien, woraufhin der Stadtrat von Grevenbroich noch im selben Monat den Beschluss fasste, das Synagogengrundstück anzukaufen.

Wahrscheinlich wies der Grevenbroicher Landrat Mitte April 1939 auf diese Richtlinien hin, doch im Sommer gab es nur Ankündigungen der Stadt, eine Verbindungsstraße zwischen der "Altstadt" und dem neuen "Schlossviertel" mit Schwimmbad und Sportplatz - beides waren Prestigeprojekte der Nationalsozialisten - zu schaffen. Umgesetzt wurde diese Ankündigung nicht. Erst als dieser eine Berichterstattung darüber anforderte, reagierte das Grevenbroicher Bürgermeisteramt. Anfang Dezember 1939 wurde damit begonnen, den "Schutthaufen, der von der Grevenbroicher Synagoge übrig geblieben war", zu beseitigen, wie es in der Propaganda hieß. Mit Spruchbändern über die "Schönheit" des neuen Platzes in der Altstadt von Grevenbroich und Presseberichten verhöhnte man die wenigen noch verbliebenen Juden und benannte die Straße Anfang 1940 in "Vom-Rath-Straße" - nach dem Opfer des Attentates, das Anlass für die Inszenierung der "Reichskristallnacht" als vermeintlicher "Racheakt" und "spontane", in Wirklichkeit aber inszenierte "Volkswut" gegen alle Juden in Deutschland war. Zu Beginn des Jahres 1940 soll die Straße dann in "Vom-Rath-Straße" benannt worden sein.

Die Erinnerung an den Standort der ehemaligen Synagoge war durchaus nicht selbstverständlich. Erst 1978, vier Jahrzehnte nach der "Reichskristallnacht", wurde unter Bürgermeister Hans Wattler eine Gedenkplatte zur Erinnerung an die jüdische Synagogen-Gemeinde angebracht, wobei der Standort der Gedenkplatte in den nachfolgenden Jahrzehnten mehrfach wechselte. In den 1980er Jahren wurde der Platz dann in "Zünfteplatz" umbenannt, nachdem ein Kunstwerk, das die Zünfte thematisierte - die sogenannte "Zünftesäule" - dort aufgestellt worden war. Im Nachgang zum fünfzigsten Jahrestag des Novemberpogroms setzte sich eine Bürgerinitiative dafür ein, den Platz umzubenennen.

Doch erst Anfang der 1990er Jahre war das Bewusstsein um die historische Dimension des Platzes so weit gediehen, dass Bürgermeister Hans Gottfried Bernrath dem Stadtrat empfahl, den Standort der "Zünftesäule" auf die Wallgasse zu verlegen, da die mittelalterlichen Zünfte nur christlichen Handwerkern offen standen und Juden explizit aus diesen Gemeinschaften ausgeschlossen waren. Und es dauerte noch einmal mehrere Jahre, bis der "Zünfteplatz" dann in "Synagogenplatz" umbenannt wurde.

Wohin der Novemberpogrom in letzter Konsequenz führte, wissen wir heute: zum Holocaust, der Ermordung von sechs Millionen Menschen, darunter alleine mehr als 200 Frauen und Männer aus der Stadt Grevenbroich. An sie erinnern keine Grabinschriften, aber Stolpersteine oder Gedenksteine zum Beispiel in Hemmerden, Hülchrath oder in Wevelinghoven an die ermordeten Kinder. Doch eine zentrale Stelle, an der den namenlosen Grevenbroicher Opfern, die zum Teil auch aus ihrer Heimat verzogen sind, viele davon auf der Flucht oder vertrieben, Namen und damit Identität zurückgegeben wird, gibt es nicht.

(NGZ)
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