Grevenbroich Obdachlose: Strafanzeige gegen die Stadt

Grevenbroich · Ein LKA-Beamter erstattet Strafanzeige und legt Dienstaufsichtsbeschwerde wegen der abgelehnten Obdachlosencontainer ein.

 Dietmar Meisen mit seinem Anzeigeschriften.

Dietmar Meisen mit seinem Anzeigeschriften.

Foto: Dieter Staniek

Eine Welle der Entrüstung, Bürgerproteste, eine Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung und eine Dienstaufsichtsbeschwerde hat die Ablehnung der Stadt Grevenbroich ausgelöst, kostenfreie Container als Winterquartier für Obdachlose anzunehmen und aufzustellen. Auf ebenso heftige Kritik stieß das von der NGZ berichtete Leerstehen von beheizten Flüchtlingszelten. In den sozialen Medien und in Online-Kommentaren geriet die Stadtverwaltung über die Weihnachtstage regelrecht ins Kreuzfeuer. Rathaussprecher Robert Jordan postete an Heiligabend dazu auf seiner Facebookseite die Stellungnahme des Bürgermeisters, die Klaus Krützen dann am Montag ebenfalls im sozialen Netzwerk wiederholte.

Die Kritik im Netz hielt aber weiter an und mündete in eine Strafanzeige und eine Dienstaufsichtsbeschwerde, die Dietmar Meisen aus Jüchen am zweiten Weihnachtstag erstattete. Der beim Landeskriminalamt Düsseldorf beschäftigte Polizeibeamte sagt, er sei erschüttert über das Verhalten der Stadt Grevenbroich: "Meine Frau und ich sind sozial engagiert in der Existenzhilfe und in der Bereitschaftspflege für Kinder." Daher seien ihm auch die Begleitumstände von Obdachlosigkeit nicht fremd. Er halte deshalb das Vorgehen der Stadt Grevenbroich für unverantwortlich, sagt der 58-Jährige, der nach eigenen Angaben bei der Polizei auch im Aufsichtswesen tätig ist.

Noch am Abend des zweiten Weihnachtstages hat der Polizeibeamte zunächst seine Strafanzeige an die Online-Anzeige-Stelle der Polizei NRW zur Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach gemailt. Und er hat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Stadt Grevenbroich bei NRW-Ministerin Ina Scharrenbach eingelegt. Der LKA-Beamte bittet die Staatsanwaltschaft, das Verhalten aller Entscheidungsträger im Kontext der gesetzlichen Vorschriften auf strafrechtliche Verantwortlichkeit - wie gegebenenfalls der unterlassenen Hilfeleistung - und aller in Betracht zu ziehender Straftatbestände zu prüfen. "Zudem behalten wir uns vor, eine erneute Strafanzeige zu erstatten, falls in den kommenden Wintermonaten im Bereich der Stadt Grevenbroich ein Mensch durch Kälte oder Tod im Zusammenhang mit mangelndem Obdach zu Schaden kommt und eine Kausalität zwischen dem Schaden und der Verweigerungshaltung der Stadt herzustellen ist", schreiben Dietmar und Bärbel Meisen der Staatsanwaltschaft. Meisen legt dazu auch in seiner Dienstaufsichtsbehörde an das NRW-Ministerium für Kommunales dar: "Die Straftatbestände der vorsätzlichen schweren Körperverletzung durch pflichtwidriges und strafrechtlich relevanten Unterlassens oder gar eines Tötungsdeliktes bei Eintritt des Todes würden dann nach meiner Bewertung in Betracht zu ziehen und einschlägig sein."

Bürgermeister Klaus Krützen wolte gestern auf Nachfrage der NGZ zu der Strafanzeige und der Dienstaufsichtsbeschwerde keine Stellungnahme abgeben. Er verwies auf seine Stellungnahme von Weihnachten. Er hatte geschrieben: "Leider stehen einer pragmatischen Lösung gesetzliche und genehmigungspflichtige Restriktionen gegenüber, die in der kurzen Bereitstellungszeit - nach drei Monaten würden die Container wieder abgebaut - nicht umsetzbar sind." Er verweist auf Düsseldorf, Neuss und Dormagen, wo das Angebot ebenso abgelehnt worden sei. Die Ablehnung sei nicht aus Willkür, sondern aufgrund von Vorgaben, die auch die Stadt zu beachten habe, erfolgt. Krützen wehrt sich gegen eine Vermischung von Themen: "Zum einen geht es um das Angebot, befristet für drei Monate Container für Obdachlose aufzustellen, und zum anderen, die im Auftrag des Landes bereitgestellte und momentan nicht belegte Flüchtlingsunterkunft am Hagelkreuz, die unterhalten werden muss, damit sie einsatzfähig für ihren Bestimmungszweck bleibt." Denn die Stadt müsse bereits Anfang des Jahres wieder mit neuen Flüchtlingen rechnen. Für das Jahr 2018 seien rund 300 Flüchtlinge angekündigt worden. Krützen betont: "Die Stadt ist gesetzlich verpflichtet, jedem Menschen Obdach zu gewähren und erfüllt diese Verpflichtung zu jedem Zeitpunkt im Jahr. Kein Mensch wird von Seiten der Stadtverwaltung abgewiesen."

(NGZ)
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