Grevenbroich Mittelalterliche Funde stellen Archäologen vor große Rätsel

Grevenbroich · Kulturdezernent Heesch redet Grabungsergebnis klein: "Kein Mehrwert für die Stadt."

 Thomas Ibeling war mit seinem Team rund ein Jahr auf der Schlossbad-Baustelle tätig. Gefunden wurde unter anderem mittelalterliche Keramik.

Thomas Ibeling war mit seinem Team rund ein Jahr auf der Schlossbad-Baustelle tätig. Gefunden wurde unter anderem mittelalterliche Keramik.

Foto: LBER

Drehte sich im Mittelalter eine Mühle in der Nähe des Schlosses? Gut möglich, denn Archäologen haben auf der Bad-Baustelle mehrere Artefakte ans Tageslicht befördert, die auf einen solchen Betrieb hinweisen könnten. Etwa Fragmente eines Mühlsteins, insgesamt 40 Kilo schwer, oder Umlenkrollen, wie sie häufig im Umfeld historischer Mühlen gefunden werden. Doch festlegen will sich Thomas Ibeling, Chef der gleichnamigen Grabungsfirma, nicht. Die Funde sind zwar Indizien, letztlich fehlt aber der Beweis für eine Mühle.

Überhaupt ist es noch ein Rätsel, was da innerhalb eines Jahres alles aus dem Boden gebuddelt wurde. Pfostenreihen und Bohlen, Spundwände und Weidengeflechte zeugen zwar von einem Bauwerk - doch welchem Zweck es diente, bleibt vorerst ein Geheimnis. "Wir haben zunächst vermutet, dass es sich um eine Kanalkonstruktion handeln könnte", sagt Grabungsleiter Horst Husmann: "Doch das hat sich nicht bestätigt." Die gesammelten Daten werden nun ausgewertet; in einem Abschlussbericht soll eine wissenschaftliche Interpretation der Funde vorgelegt werden.

 Auch eine Sichel wurde auf der Schlossbad-Baustelle gefunden.

Auch eine Sichel wurde auf der Schlossbad-Baustelle gefunden.

Foto: Grabungsteam Iveling

So gut wie sicher ist, dass die Anlage um 1311/12 errichtet wurde, sie fällt damit in die Gründungszeit der Stadt und die Ära der Grafen von Kessel. In den beiden Grabungsfeldern wurden interessante Artefakte entdeckt, die vom Leben der alten Grevenbroicher zeugen. Darunter Schalen aus der Karolingerzeit und Gefäße aus dem frühen Mittelalter, aber auch eine Eisensichel, Bauteile eines Bootes, eine Sau-Feder genannte Jagdwaffe und eine sogenannte "Hippe", ein Werkzeug, das zur Holzbearbeitung verwendet wurde. "Das sind Siedlungsreste, die wie ein Puzzlespiel vor uns liegen, das noch zusammengesetzt werden muss", sagt Husmann.

 Eine gut erhaltene Sau-Feder. Mit dieser Waffe wurde im Mittelalter Jagd auf Wildschweine gemacht.

Eine gut erhaltene Sau-Feder. Mit dieser Waffe wurde im Mittelalter Jagd auf Wildschweine gemacht.

Foto: Thomas Ibeling

Die vielen hundert Holzpfähle, die freigelegt wurden, seien größtenteils "hervorragend erhalten", betont der Grabungsleiter: "Solche Funde sind im Rheinland selten." Da etliche der mächtigen Pfeiler wie Streichhölzer geknickt vorgefunden wurden, gehen die Archäologen davon aus, dass sich im 14. Jahrhundert "mindestens zwei Flutkatastrophen" im Bereich des Schlosses ereignet haben. "Große Wassermengen haben die Pfähle wie bei einem riesigen Mikadospiel durcheinandergewirbelt", sagt Husmann.

Möglicherweise wurden bei diesen Überschwemmungen auch Artefakte aus der Römerzeit an das Schloss gespült. "Die Scherben sind gut erhalten", betont der Archäologe. Ihr Fundort dürfte nicht weit vom Ursprungsort entfernt liegen. Wo der war, ist aber nicht klar.

Im Sport- und Bäderausschuss konnten die Archäologen noch keine Antwort auf die Frage geben, ob ein Teil der Grevenbroicher Geschichte neu geschrieben werden muss. Da die Konstruktion auf historischen Landkarten nicht zu finden sei, habe man "weiße Flecken" aufgedeckt, sagte Husmann. "Nach unserer Arbeit werden sich weitere Wissenschaftler mit den Funden beschäftigen. Im Laufe der Zeit wird der Wert für die Stadtgeschichte zutage kommen."

Angesichts der rund 2,5 Millionen Euro, die für die knapp ein Jahr dauernden Grabungen gezahlt werden müssen, ist Kultur- und Sportdezernent Michael Heesch unzufrieden mit dem jetzt vorgestellten Ergebnis. "Ich kann daraus keinen Mehrwert für die Stadt erkennen", sagt er: "Das war eine archäologische Grundlagenforschung, die uns nach jetziger Lage nichts gebracht hat." Heesch hatte sich neue Erkenntnisse über die Baugeschichte rund um das Alte Schloss erhofft, sei aber enttäuscht worden: "Am Schluss gibt es mehr Fragen als Antworten." Zurzeit sei nicht einmal klar, ob ein Modell oder zumindest eine 3D-Animation für das städtische Museum dabei herausspringe.

(NGZ)
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