Sabine Lenßen, Wolfgang Wappenschmidt "Mehr junge Frauen in der Landwirtschaft"

Grevenbroich · Die junge Landwirtin Sabine Lenßen aus Sasserath und Wolfgang Wappenschmidt, der Vorsitzende der Kreisbauernschaft, sprechen über große Maschinen, Flächenverluste und Glyphosat.

Sabine Lenßen, Wolfgang Wappenschmidt: "Mehr junge Frauen in der Landwirtschaft"
Foto: Ilgner Detlef

Frau Lenßen, Sie sind 27 Jahre alt und Landwirtin. Ungewöhnlich für eine Frau in Ihrem Alter. Oder nicht?

Lenßen Ungewöhnlich finde ich das nicht, ich wollte immer in die Landwirtschaft. Meine Eltern haben einen 45 Hektar großen Hof in Mongshof. Ich habe im vergangenen Jahr die Fachschule beendet und bin jetzt staatlich geprüfte Agrarbetriebswirtin. Wappenschmidt Wir haben immer mehr junge Frauen, die landwirtschaftliche Betriebe übernehmen. Da ist etwas in Bewegung. Aber es gibt noch eine zweite erfreuliche Tendenz: In der Ausbildung gibt es zunehmend junge Leute, die nicht aus der Landwirtschaft kommen. Etwa 20 Prozent der Auszubildenden haben keinen landwirtschaftlichen Hintergrund. Das ist gut, denn die Betriebe wachsen wieder und brauchen natürlich auch ausgebildete Mitarbeiter.

Woher kommt das Interesse?

Lenßen Ich glaube, ein bisschen hängt das mit den großen Maschinen zusammen, die eingesetzt werden. Die stellen schon einen gewissen Kick dar. Es wird nicht mehr so viel mit der Hand gemacht. Wappenschmidt Die Ausbildung ist theoretisch durchaus anspruchsvoll. Es geht zum Beispiel um Düngung und Pflanzenschutz, man muss rechnen können und vieles mehr. Aber es gibt eben auch sehr viele praktische Tätigkeiten. Der Beruf des Landwirts ist abwechslungsreich, auch das motiviert.

Wie gut lässt es sich denn von der Landwirtschaft leben?

Wappenschmidt Es ist schwieriger geworden, und bundesweit nimmt der Nebenerwerb zu. Hier am Niederrhein ist es noch ein wenig anders. Wir haben etwa 80 Prozent Haupterwerbsbetriebe. Das liegt daran, dass viele Landwirte neue Betriebszweige gefunden haben und zum Beispiel Spargel, Obst oder Blumen anbauen und direkt vermarkten oder ihre Ställe für die Haltung von Pensionspferden nutzen.

Frau Lenßen, was sind Sie eigentlich am meisten? Biologin, Chemikerin, Betriebswirtin?

Lenßen Von allem etwas. Es sind die vielen unterschiedlichen Tätigkeiten, die die Landwirtschaft ausmachen. Ich bin im Büro, aber nicht nur. Ich arbeite an der frischen Luft, aber nicht ausschließlich.

Die Kunden wollen mehr regionale Produkte, die landwirtschaftliche Fläche nimmt aber ab. Wie passt das?

Wappenschmidt Das passt natürlich nicht zusammen. Obwohl die Bevölkerung schrumpft, haben wir Zuzug in die Regionen Köln und Düsseldorf, Menschen, die Wohnung und Arbeit suchen. Das geht zu Lasten der landwirtschaftlichen Fläche. Lösungsansätze, wie etwa der Innenentwicklung der Städte Priorität vor der Außenentwicklung zu geben oder alte Gewerbeflächen wieder nutzbar zu machen statt neue Gebiete auszuweisen, werden von der Politik nur unzureichend umgesetzt.

Wie sieht es mit dem Nitrat im Grundwasser aus?

Wappenschmidt Insgesamt gibt es zehn Kooperationen mit Wasserwerken im Gebiet unserer Kreisbauernschaft Neuss-Mönchengladbach, die von zwei Wasserschutzberatern betreut werden. Der Stickstoff im Ackerboden wird gemessen und auf Grundlage dieser Werte kann gezielt gedüngt werden. Es werden Zwischenfrüchte angebaut, um den Austrag von Nitrat ins Grundwasser zu verhindern und vieles mehr. Das Nitrat-Problem ist noch nicht überall gelöst, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Das Ganze dauert eben auch. Ein Wassertropfen, der auf den Boden fällt, braucht zehn Jahre, um im Grundwasser anzukommen.

Immer wieder wird über den Einsatz von Düngemitteln oder Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft diskutiert. Wie halten Sie es damit?

Wappenschmidt Wirtschaftlich und ökologisch macht der Kreislaufgedanke Sinn. Die Viehbetriebe, auch aus den Niederländen, kaufen Getreide als Viehfutter, die deutschen Ackerbauern bekommen die Nährstoffe in Form von Gülle zurück. Aber Gülle ist in der Öffentlichkeit immer noch negativ besetzt, obwohl die Lieferungen inzwischen extrem streng kontrolliert werden und wir mit modernster Technik arbeiten, um die Gülle direkt in den Boden einzuarbeiten.

Noch umstrittener ist Glyphosat.

Wappenschmidt Glyphosat ist ein Unkrautvernichtungsmittel, ein sogenanntes Totalherbizid und wird auch in unserer Region eingesetzt, um Flächen vor der Saat zum Beispiel von Zuckerrüben unkrautfrei zu machen. Das ist für das Grundwasser und die Umwelt sinnvoll, weil übermäßige Bodenbearbeitung oder vermehrter Herbizideinsatz in der Kultur überflüssig werden. Glyphosat ist relativ unproblematisch einzusetzen und erreicht nur die grünen Pflanzenteile. Es ist nicht giftig und - wie jetzt festgestellt wurde - auch nicht krebserregend. Aber die aktuelle Debatte wird leider nicht von sachlichen Argumenten getragen. In anderen Erdteilen wird Glyphosat in Kombination mit gentechnisch veränderten Kulturen eingesetzt; in Deutschland werden keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut. Umweltaktivisten wollen den Konzern Monsanto treffen und prügeln die Landwirte.

Was ist mit Bio-Anbau in der Region?

Wappenschmidt Der ist relativ gering, aber viele Betriebe informieren sich über die Umstellung, weil die Nachfrage nach Bioprodukten steigt. Als Verband fördern wir das, was der Verbraucher wünscht. Wir stehen daher durchaus hinter dem Biolandbau, aber als Leitbild für die gesamte Landwirtschaft taugt er nicht. Die Erträge sind bis zu 30 Prozent geringer. Wie soll das gehen bei wachsender Weltbevölkerung?

Was halten Sie von der neuen Lust am Landleben, die sich in Zeitschriften ausdrückt? Oder in Bürgerparzellen?

Wappenschmidt Grundsätzlich ist das positiv. Es ist gut, wenn sich die Menschen mit Pflanzen beschäftigen. Es ist auch schön, wenn die Vorstellung vom Landleben positiv besetzt ist, aber es besteht die Gefahr, dass dem ein museales Bild der Landwirtschaft mit Hähnen auf dem Misthaufen zugrunde liegt. Wir möchten das echte Landleben zeigen und laden deshalb seit einigen Jahren zu einer Höfetour ein. Dieses Jahr öffnen am 18. Juni fünf Betriebe in Jüchen ihre Tore. Wir laden alle Städter herzlich ein.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN A. GRUHN, D, RICHTERS UND A. RIETDORF.

(NGZ)
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