Grevenbroich Künstler tütet auch den Bürgermeister ein

Grevenbroich · Wilfred Neuse zeigt in der Versandhalle seine "Feuchten Kammern". Mit Hilfe von Erftwasser werden Polaroids zu echten Kunstwerken.

 Mal in Tüten, mal in Erlmeyerkolben bewahrt Wilfred Neuse seine Polaroids auf. Immer dabei als besonderes Konservierungsmittel: Erftwasser.

Mal in Tüten, mal in Erlmeyerkolben bewahrt Wilfred Neuse seine Polaroids auf. Immer dabei als besonderes Konservierungsmittel: Erftwasser.

Foto: W. Neuse

"Ich bin selbst überrascht, was die Leute mir alles geben", sagt Wilfred Neuse über persönliche Gegenstände, die in transparenten Tüten wandern. "Die einzige Vorgabe ist: Die Dinge müssen in einen DIN A4-Beutel passen." Dazu schießt der Künstler zwei Fotos, porträtartig von vorne und von hinten. Kommt dann der Schuss Erftwasser dazu, entstehen "Feuchte Kammern". Etwa 130 ihrer Art hat der 68-Jährige bislang kreiert. Wie sie ausschauen, wie Patina sie verändert und neu gestaltet, ist ab Samstag in der Ausstellung in der Versandhalle zu erleben.

Gebürtig aus einem Flecken zwischen Hannover und Celle, bekam Wilfred Neuse seine erste Kamera zur Konfirmation. Da war er 14 Jahre alt - und sofort begeistert. Aus der Begeisterung wurde zunächst ein Beruf, nämlich der des Werbefotografen. "Und wenn ein zu bewerbender Gegenstand dann ausgeleuchtet und inszeniert war, wurde, bevor es richtig losging, ein Polaroid gemacht", beschreibt er jene Zauberfotos, die sich vor den Augen des Knipsers langsam entwickelten.

 Fotokünstler Wilfred Neuse beim Wasserschöpfen an der Erft.

Fotokünstler Wilfred Neuse beim Wasserschöpfen an der Erft.

Foto: WHG Neuse

Parallel zu seinem Beruf, inzwischen hatte Neuse in die Uni-Klinik Düsseldorf gewechselt, wo er als wissenschaftlicher Fotograf Operationen und Eingriffe dokumentierte, arbeitete er künstlerisch, fertigte Foto-Collagen und entwickelte mit seinem Blick auf Menschen und Situationen spezielle Momente.

"In der Fotografie habe ich alle Genres ausprobiert", berichtet der inzwischen Pensionierte über Experimente. Viel von diesen Kunststücken zeigt die Schau in der Versandhalle. "Mutters Erde" etwa ist in einzelnen Etappen fotografierter Akt, in dessen Mitte eine frische Kartoffel platziert war. "Die keimte und sprießte, um anschließend zu vertrocknen", sagt Neuse. Ein anderes großformatiges Bild zeigt eine Reihe einzelner Motive, die sich wie eine Schrift interpretieren lassen. "Pay and you will see (Zahle und du wirst sehen)" thematisiert das Bezahlfernsehen - jedes Polaroid zeigt nichts anderes, als total verpixelte Krisselbilder.

Vor allem aber gibt es die "Feuchten Kammern" zu bestaunen. Salopp gesprochen sind das je zwei Polaroids, persönliche Gegenstände des Abgelichteten sowie Erftwasser. "Auf die Idee bin ich gekommen, als ich 2002 zu einem Kunstevent zum Thema ,Wasser' nach Grevenbroich kam", erinnert er sich an die bange Frage: "Was machst Du als Fotograf mit Wasser?" Dann erinnerte er sich an Präparationen in der Uni-Klinik und wie Kollegen im Labor beispielsweise Pilze oder Hefe in Schalen oder hinter Polyesterschichten verarbeiteten - die Idee zum Medium Erftwasser als Katalysator und Konservierungsstoff war da.

Interessante Objekte sind so entstanden, die vormals glatten Gesichter haben durch die dunke Verfärbung einen anderen Charme bekommen, und manche der Beigaben überdauerten die Zeit unbeschadet. So wie eine pinke Plastikwaffe des israelischen Künstlers Amos Plaut oder das Saxofonmundstück nebst Hobel des musizierenden Schreiners Norbert Hambloch. Und auch Bürgermeister Klaus Krützen hat bereits einen Platz in einer "Feuchten Kammer" von Wilfred Neuse gefunden - mit persönlichen Gegenständen wie einer Wanderkarte und einem Wandermesser.

(von)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort