Grevenbroich Kreis nimmt 150 Flüchtlinge früher auf

Grevenbroich · BBZ-Halle am Wochenende für 300 Menschen umgebaut. 100 von ihnen ziehen in einen alten Jüchener Supermarkt.

Da sich die Lage in Nordrhein-Westfalen weiter zugespitzt hat, sollte der Rhein-Kreis schon gestern Abend die für heute angekündigten 300 Flüchtlinge in der Dreifachhalle des Berufsbildungszentrums (BBZ) aufnehmen. Da bisher jedoch nur die Hälfte an Feldbetten organisiert werden konnten, wurde ihm zunächst 150 Menschen zugewiesen. Gegen 22 Uhr waren die Flüchtlinge aber noch nicht in der Stadt eingetroffen. "Wir warten noch", sagte Kreissprecher Harald Vieten.

Der Krisenstab des Rhein-Kreises mobilisierte am Sonntag alle Kräfte, um die neue, verschärfte Situation zu stemmen. Bis spätestens heute Mittag sollen auch die restlichen Betten geliefert werden, damit alle Flüchtlinge untergebracht werden können. Am Wochenende wurde die Halle zur Notunterkunft umgebaut - eine Herkules-Aufgabe, die innerhalb von 72 Stunden gemeistert werden musste. Bauzäune trennen inzwischen das Gebäude vom restlichen Schulgelände, auch Parkplätze wurden gesperrt. Ein Teil der Flüchtlinge - etwa 100 - soll voraussichtlich am Mittwoch nach Jüchen verlegt werden. Dort wird zurzeit ein ehemaliger Supermarkt in ein Not-Obdach verwandelt.

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke hatte am Freitag einen Krisenstab eingesetzt. Unter der Leitung von Kreisdirektor Dirk Brügge wurde am Wochenende versucht, die Turnhalle in Windeseile für die Ankunft der Flüchtlinge vorzubereiten. "Das, was wir jetzt erleben, ist eine akute Krise, die uns alle für längere Zeit auf eine harte Belastungsprobe stellen wird", sagt Petrauschke. Weil es schon seit Wochen keinen Platz in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes mehr gibt, werden die Flüchtlinge im Rahmen von Eil-Verfügungen auf die Kommunen verteilt, die dann zum Teil kurzfristig handeln müssen.

"Wir wissen bis heute weder woher die Flüchtlinge kommen noch welche Nationalität sie haben, ob es sich überwiegend um Männer, Frauen oder Familien handelt, ob Babys und Kleinkinder darunter sind", sagt Dirk Brügge. Unklar sei auch der gesundheitliche Zustand. Selbst die Registrierung kann durch die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes nicht mehr bewältigt werden. "Wir sind auf die namentliche Erfassung der ankommenden Flüchtlinge eingestellt", so Brügge. Dolmetscher sollen die Verständigung erleichtern. Nach der Registrierung ist der Gesundheits-Check obligatorisch, den die Amtsärzte des Kreisgesundheitsamtes vornehmen werden, in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Kollegen.

Flüchtlinge: Große Hilfsbereitschaft in Dortmund
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Große Hilfsbereitschaft am Dortmunder Hauptbahnhof

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Foto: dpa, mjh

"Der logistische und personelle Aufwand bei immer knapper werdenden Beschaffungsressourcen ist riesig", erklärt Dirk Brügge, der beispielhaft die inzwischen wochenlangen Lieferzeiten für Feldbetten und Toilettenanlagen nennt. Auch die Verpflegung für 300 Personen über das Grevenbroicher Krankenhaus sowie die Beschaffungen von Dingen des täglichen Bedarfs - von Zahncreme bis Seife - mussten im Krisenstab organisiert werden.

Handwerker und Elektriker legten noch am Wochenende zusätzliche Wasser- und Stromleitungen. Die EDV-Abteilung des Kreises installierte eine WLAN-Verbindung sowie die Computer für die Registrierung. Das gesamte Amt für Gebäudewirtschaft und viele Mitarbeiter des Jugend- und Ordnungsamtes der Kreisverwaltung packten kurzerhand mit an, um Feldbetten und Sichtschutzzäune aufzubauen. Unterstützung erhielt der Kreis von der Stadt, dem DRK. der Freiwilligen und der Werkfeuerwehr von RWE.

Viele Hilfsorganisationen sind bereits voll in die Flüchtlingsarbeit der Städte und Gemeinden eingespannt. So kann der Rotkreuz-Kreisverband Grevenbroich erst ab dem 1. Oktober die Betreuung am BBZ übernehmen. "Bis dahin versucht die Kreisverwaltung mit eigenem Personal, Schulsozialarbeitern und gemietetem Leihpersonal die Notunterkunft zu betreiben", betont Kreissprecher Harald Vieten.

Für Landrat Petrauschke sei es keine Option gewesen, die am Freitag eingetroffene Verfügung der Bezirksregierung einfach an die kreisangehörigen Kommunen durchzureichen: "Unsere Städte und Gemeinden arbeiten selbst bereits bis zum Anschlag in der Flüchtlingsunterbringung. Wir sitzen alle im gleichen Boot." Angesichts zu erwartender, weiterer Eilverfügungen werde mit Hochdruck daran gearbeitet, weitere Quartiere zu finden. Auch ein Ziel: die belegten Turnhallen möglichst schnell wieder frei zu bekommen. Bis Februar sollen - laut Bezirksregierung Düsseldorf - die bestehenden Notunterkünfte vorgehalten werden. Doch niemand weiß genau, was die nächsten Tage und Wochen bringen werden.

Ab heute ist ein Bürgertelefon (02181 6011000) eingerichtet. Von Kleidungs- und Sachspenden bittet der Kreis zunächst abzusehen.

(NGZ)
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