Grevenbroich Kohleausstieg kostet 1000 Arbeitsplätze

Grevenbroich · In der Nacht zu Sonntag gab es das Aus für zwei Blöcke des Kohlekraftwerks Frimmersdorf. Drei weitere Blöcke werden in Niederaußem und Neurath stillgelegt. 1000 Arbeitsplätze sind dann verloren.

 Das Kraftwerk zur Wirtschaftswunderzeit.

Das Kraftwerk zur Wirtschaftswunderzeit.

Foto: Sammlung Larisch

Der Strukturwandel hat begonnen: In der Nacht zu Sonntag sind zwei 300 Megawatt-Blöcke des Braunkohlenkraftwerks Frimmersdorf stillgelegt worden. Weitere drei folgen in Niederaußem und Neurath: Davon betroffen sind 800 bis 1000 Arbeitsplätze bei RWE in den Kraftwerken, den Tagebaubtrieben und den Querschnittsfunktionen, berichtet Tilmann Bechthold, Leiter der Kraftwerke Frimmersdorf und Neurath, auf Redaktionsnachfrage. Diese Arbeitsplätze würden schrittweise abgebaut. Außerdem sei damit zu rechnen, dass bei Partnerfirmen von RWE in der Region weitere Arbeitsplätze verloren gehen, räumt Bechthold ein. Mit der gestrigen Stilllegung von Frimmersdorf werde die Belegschaft, die nicht ohnehin in den Ruhestand gehe, zunächst noch auf andere Betriebsfelder bei RWE verteilt, sagt Konzernsprecher Olaf Winter auf Nachfrage.

Das Kohlekraftwerk Frimmersdorf war zu früheren Zeiten eines der größten Deutschlands. Es hatte europaweit aber auch den Makel, einer der größten CO2-Emitenten zu sein. Während in der vergangenen Woche schon rege Betriebsamkeit im Frimmersdorfer Kraftwerk herrschte, weil das restliche Kohlelager komplett abgefeuert werden musste, wurden die Blöcke am Samstag nacheinander heruntergefahren, um die Stromerzeugung bis spätestens Mitternacht zu beenden. Dabei mussten die beiden Grabenbunker, die Kesselbunker sowie die Kalkvorräte für die Rauchgasentschwefelungsanlage mit dem Abfahren punktgenau leer gefahren werden, wie der Kraftwerksleiter erläuterte. Sonst hätte die Belegschaft zum Abschluss noch tonnennweise Kohle schaufeln und entsorgen müssen.

Doch in der nunmehr vierjährige Zeit der sogenannten Sicherheitsbereitschaft "schläft" das Kraftwerk noch nicht endgültig. "Die Mannschaft wird über das Ende des Leistungsbetriebs hinaus alle Hände voll zu tun haben, um die Nebenanlagen herunterzufahren, Betriebszustände abzusichern und Komponenten freizuschalten", zählt Bechthold auf.

Bis gestern habe das Kohlekraftwerk Frimmersdorf etwa 450 Haushalte in Frimmersdorf, Gustorf und Gindorf mit Fernwärme versorgt. "Ab sofort erhalten diese Menschen ihre Wärme aus Neurath. Dazu haben wir eine neue Fernwärmeleitung aus Neurath nach Frimmersdorf gebaut. Der Umschluss ist schon erfolgt", sagt Bechthold. Allerdings müssten für den Ausfall der Stromerzeugung in Frimmersdorf nun im Wesentlichen andere konventionelle Kraftwerke in Deutschland einspringen.

Da Frimmersdorf nun "in den Dornröschenschlaf" versetzt worden ist, wie es RWE-Tagebauleiter Lars Kulik genannt hat, gibt es aber auch ein Szenario, im Notall die Anlage wieder hochzufahren. Das soll innerhalb von elf Stunden auf Mindestteilleistung und innerhalb weiterer 13 Stunden auf Nettonennleistung möglich sein. Ein solcher Notfall träte ein, wenn sich eine länger andauernde Extremsituationen (harter Winter) in Deutschland abzeichnen würde. "Aber der Übertragungsnetzbetreiber Amprion darf die Kapazität der Blöcke in Sicherheitsbereitschaft nur abrufen, wenn das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zuvor den Krisenfall aufgrund einer Versorgungsstörung ausgerufen hat", sagt Bechthold.

Nach Ablauf der Sicherheitsbereitschaft wird das Kraftwerk Frimmersdorf abgerissen. Diskutiert wurden aber bereits, ob Teile des Kraftwerkes als Industriedenkmal erhalten werden müssen. Dazu sagt Tilmann Bechthold, RWE sei seit einigen Jahren mit den zuständigen Behörden in Sachen Denkmalschutz im Kontakt. Es sei vereinbart worden, die Gespräche dann wieder aufzunehmen, wenn RWE konkrete Pläne für die Weiternutzung des Geländes oder den Abriss der Anlagen habe. "Jetzt liegt unser Fokus darauf, die Anlagen zuverlässig in die Sicherheitsbereitschaft zu überführen und gemäß der gesetzlichen Vorgaben betriebsbereit zu sein. Das Kraftwerk Frimmersdorf wird noch vier Jahre lang eine wichtige Rolle für die Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland spielen", betont Bechthold.

Allerdings ist das Kraftwerksgelände planungsrechtlich als Industriegebiet ausgewiesen, wie Bechthold erinnert. Er sagt dazu, der Standort verfüge über hochwertige Infrastruktur und sei verkehrstechnisch ausgezeichnet angebunden. Daher läge eine industrielle Nutzung nach dem Rückbau des Kraftwerkes nahe. Eine Entwicklung als Gewerbegebiet wäre die nächstbeste Option. Dazu seien erste Sondierungsgespräche geführt worden.

(NGZ)
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