Grevenbroich Klaus Krützen macht den Rollstuhl-Test

Grevenbroich · Der Bürgermeister ging am Freitag im Rollstuhl auf Tour durch die Innenstadt. Ob an Ampeln oder im Linienbus - überall stieß Klaus Krützen auf Hindernisse.

 Bürgermeister Klaus Krützen erkundete Grevenbroich im Rollstuhl.

Bürgermeister Klaus Krützen erkundete Grevenbroich im Rollstuhl.

Foto: Berns Lothar

Seinen Dienstwagen ließ Klaus Krützen stehen - im Rollstuhl erkundete der Bürgermeister gestern die City, unter anderem begleitet vom Behindertenbeauftragten Christoph Meyer. "Ich möchte in der Praxis erleben, wie es Rollstuhlfahrern in der Innenstadt ergeht", erklärte Krützen. Nach einer Stunde im "Rolli" stand fest: Es besteht reichlich Handlungsbedarf.

Jede Armbewegung fiel schwer, die Jacke lastete auf dem Bürgermeister - schließlich sind 35 Kilogramm Bleiplatten eingenäht. Christoph Meyer machte es dem Rollstuhlfahrer auf Probe nicht leicht, er hatte einen Simulationsanzug ausgeliehen. "Die Jacke simuliert, wie sich ein 65-Jähriger bewegt", so Meyer, der in einem Koffer noch Spezialbrillen, die die Sehkraft beeinträchtigen, dabei hatte.

Den besonderen Ausflug hatten Krützen und Meyer bei einem Treffen vereinbart. Aufs erste Hindernis stieß Krützen noch im Rathaus. Die schmale Tür, durch die er seinen Rollstuhl bugsieren wollte, schlug immer wieder zu. Wenige Meter am Fußgängerüberweg am Ostwall war Tempo bei "Grün" gefragt. Der Verwaltungschef legte sich ins Zeug, doch als die Ampel wieder "Rot" zeigte, hatte er nicht einmal die Fahrbahnmitte erreicht. "Wir müssen prüfen, ob wir die Phase verlängern können", so sein Fazit. Auch an anderen Ampeln sei die Grünphase zu kurz, weiß Meyer. Und er wies wie Christin Bursy, sie ist sehbehindert, auf eine gelbe Apparatur am Ampelmast hin. "Damit können sich Sehbehinderte ein vibrierendes Signal anfordern, doch an vielen Ampeln funktioniert das Gerät nicht", so Meyer. Weiter ging's, mit den Händen bewegte Krützen sein Gefährt voran, brauchte einige Kraft. "Das hätte ich mir leichter vorgestellt", sagt er. An der Wilhelmitenstraße geriet der Bürgermeister in Schieflage. Wegen der starken Neigung des schmalen Bürgersteigs driftete der Rollstuhl weg, rollte vom Bordstein. "Bei der Neuanlage von Straßen sollten wir prüfen, wie wir den Bürgersteig anders anlegen."

An der Haltestelle, vor der Fahrt mit der Linie 892, gab's eine kurze Verschnaufpause. "Das wird eng, sagte Sabrina Billeb, die mit ihrer Tochter im Kinderwagen ebenfalls einsteigen wollte. "Ich musste auch schon mal draußen bleiben", erklärte sie. In vergangenen Wochen gab es mehrere solche Beschwerden über den Stadtbus - und über Fahrer, der Busverkehr Rheinland reagiert mit Höflichkeitsschulungen.

Zwischen Bordstein und Bustür klaffte ein großer Spalt. Auf die Bitte an den Fahrer, die Rampe an der hinteren Tür auszulegen, hieß es von vorn, die Rampe sei offen. Christoph Meyer weiß, was zu tun ist. "Ich hätte erwartet, dass der Busfahrer kommt und hilft", sagte Krützen. Doch beim Aussteigen am Hammerwerk kommt der Fahrer ungefragt, bietet Hilfe an. Krützens Fazit nach einer Stunde im Rollstuhl: "Eine wichtige Erfahrung, die auch andere aus Politik und Verwaltung machen sollten. Das ist etwas anderes als nur mit theoretischem Wissen zu entscheiden." - "Toll, dass sie das ausprobieren", so eine Passantin, die Krützen erkannte.

(NGZ)
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