Grevenbroich Klarer Klang für Verständlichkeit im Notfall

Grevenbroich · Sind an bundesdeutschen Bahnhöfen Lautsprecheransagen verständlich, liegt es oft an der Akustik aus Kapellen.

 Wie es ausschaut, wenn es später akustisch einwandfrei klingt, zeigt Alfred Schmitz an Modellen am Computer.

Wie es ausschaut, wenn es später akustisch einwandfrei klingt, zeigt Alfred Schmitz an Modellen am Computer.

Foto: Lothar Berns

Sprichwörtlich versteht "nur Bahnhof", wer inhaltlich nicht mitkommt. Tatsächlich ist die Akustik an eben diesem Ort meist katastrophal. Verantwortlich dafür sind "Störgeräusche und Nachhallbedingungen", erklärt Alfred Schmitz. Der Mann muss es wissen, als studierter und promovierter Diplom-Ingenieur Elektrotechnik sind Schall und Akustik sein Metier. Nachdem er bundesweit Bahnhofanlagen auf Vordermann gebracht hat, könnte jetzt ein Projekt in Indien anstehen.

Der gebürtige Wevelinghovener, ein Tüftler und Erfinder a la "Daniel Düsentrieb" mit Honorarprofessur an der Technischen Universität Braunschweig, ist mit seiner Firma TAC Technische Akustik nach der Gründung in Korschenbroich seit zwei Jahren in Kapellen ansässig. Von hier konstruieren die Mitarbeiter akustische Apparaturen für die ganze Welt. Wie das klingt, ist gut, zu hören, an den Bahnhöfen zwischen Berlin, Hamburg und Köln oder in München, wo derzeit gerade Ergänzungen vorgenommen werden. "Ein Lautsprecherkonzept muss auf die jeweiligen räumlichen Bedürfnisse abgestimmt sein", erklärt der Fachmann das Grundprinzip. Gibt es am Bahnsteig beispielsweise wenig Nachhall, kann mit vielen Lautsprechern und gleichmäßigem Pegelabgleich für gut vernehmbare Durchsagen gesorgt werden. Bei hallenartigen Strukturen, wie sie beispielsweise am Kölner Hauptbahnhof vorzufinden sind, müssen intelligente Konzepte mit computergesteuerter Richtcharakteristik, also etwas wie einer akustischen Fokussierung, vorgenommen werden.

Wichtig ist die akustische Klarheit nicht allein für Durchsagen zu An- und Abfahrtzeiten. "Der Evakuierungsfall bedingt Mindestsprachverständlichkeit": Droht Gefahr, muss jedermann eindeutig verstehen, was angesagt wird. Keine Details dürfen im Knistern verschwinden.

In der Planung, bevorzugt mit Kollegen Anselm Goertz vorgenommen, widmet sich Alfred Schmitz ebenso der optimalen Verständlichkeit in U-Bahn-Stationen oder Straßentunneln. "Der Beleuchtung und Straßenverkehrsführung werde ich sofort gewahr", sagt er über optische Signale. Aber diese Optik funktioniert nur wenige Meter - "brennt ein Auto, hilft nur noch Akustik." Obwohl die EU-weit Gesetz ist, bleibt die Festlegung der Anforderungen nationale Hoheit. Sicherheitsvorschriften seien in Skandinavien, wo Schmitz zum Beispiel in Oslo für viele Tunnel Lautsprecheranlagen entwickelt hat, weitaus höher als in Deutschland.

Weitere Betätigungsfelder der Kapellener Firma sind Sportstadien. Zur Fußballeuropameisterschaft wurden die Lautsprecheranlagen in den Sportstätten in Warschau und Danzig entwickelt. Geht es um Open-Air-Konzerte oder die klangvolle Einrichtung von Konzertsälen, Mehrzweckhallen oder Theatern, sind Schmitz und Team ebenso gefragt. In der Kölner Philharmonie sind die Akustik-Profis zur Zeit aktiv, ein Wettbewerb für ein Projekt aller großen Metrostationen kreuz und quer durchs indische Mumbai läuft. "Gibt es das Gebäude noch nicht, muss die Akustik am Computermodell simuliert werden" - ist das Gebäude existent, kann mit modellhaft entwickelten Konzepten austariert werden, wo es des Feintunings bedarf. Dass Raumakustik viele Facetten hat, zeigt sich auch bei der Gestaltung "vernünftiger Anlagen in Kindergärten und Schulen": Hier wird so "gezaubert, dass auch dünne Stimmen Gehör finden, also Stimmen tragen". In der Hörbehindertenschule Aachen bauen der 54-Jährige und Kollegen ebenso schalltechnische Anlagen.

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