Grevenbroich Hülchrather Synagoge wird zum Denk-Ort
Grevenbroich · Ein dunkler Gang und bedrohliche Filmszenen an historischer Stätte: Künstler Gereon Riedel weckt mit seiner Raum-Installation Emotionen.
Ein zweites Gehäuse innerhalb des Sakralbaus: Aus Rigipsplatten hat Künstler Gereon Riedel in der ehemaligen Synagoge einen Tunnel gebaut. Im Winkel fügt sich der mannshohe, einige Meter lange, geschlossene Gang an die Synagogen-Wand. Ist er ein Schutzraum im früheren Andachtsraum, ein Versteck oder Gefängnis? Fragen stellen, Erleben, Nachdenken - das ist es, was die sogenannte Mixed-Media-Installation von Riedel will.
"Dieser historische Ort erinnert an das Judentum und die Gräuel der Nazi-Zeit. Doch allein darauf kann ich mein Werk nicht beziehen", erläutert der Grevenbroicher Künstler. Das Mitglied der Ateliergemeinschaft E1 geht bewusst einen Schritt weiter. "Denk.Mal" lautet der Titel seiner Raum-Installation, bei der sich Riedel verschiedener Techniken bedient. "Ich gebe Stoff zum Nachdenken. Anlass ist der aktuelle Rechtsruck in Europa und Nationalpopulisten auf Augenhöhe - eine Tragödie wie im Dritten Reich darf sich nicht wiederholen."
So verbindet Riedel Gewesenes mit Gegenwärtigem, fordert Denk-Zusammenhänge und verknüpft Bedeutungsebenen miteinander. Deutlich wird dies, wenn man den von ihm gezimmerten Gang betritt: Im Finsteren gewöhnen sich die Augen nur langsam an das Schwarzlicht. An den Wänden leuchten Zeichnungen und Textpassagen von Erich Kästner und Dietrich Bonhoeffer auf. Es ist ein Eintauchen in das Dunkel der Erinnerung. Riedel lässt unter anderem den Kästner von 1958 reflektieren: "Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist."
In einem Regal daneben leuchten mit Flüssigkeit gefüllte Einmachgläser. In ihnen schwimmen Fragmente von Bildern, Skizzen oder Fotos, die so bearbeitet wurden, dass das UV-Licht sie kenntlich macht. Zu sehen ist zum Beispiel der Scherenschnitt einer Juden-Nase, die in der Pogromnacht von 1938 an ein Hülchrather Haus gemalt wurde. "Diese Gläser benutzt man zum Konservieren, zum Haltbarmachen. Man kann sie aber auch wieder öffnen", sagt Gereon Riedel. Raus aus dem engen, bedrohlichen Gang verschwindet das Unbehagen, fühlt man sich befreit. Empfindung - auch das ist eine Ebene der Raum-Installation.
Ergänzt wird Riedels "Denk.Mal"-Werk durch einen Film, zusammengesetzt aus kurzen Sequenzen. "Er zeigt eine Idylle, die sich langsam zur Bedrohung entwickelt", beschreibt der Künstler seine erste Projektionsarbeit. Feuer und das Verbrennen werden darin in verschiedenen Varianten festgehalten. In der Synagoge sind zudem "Menschen" unterwegs. Riedel hat die Skulpturen aus Holz geschaffen und sie in schwarze Kleidung gehüllt: "Die Gesichter leuchten. Sie schauen entweder zur Seite oder auf den Boden." Möglich wird dies durch diverse Lampenkonstruktionen. Bei einem "Menschen" leuchtet das Gehirn, er scheint nachzudenken.