Markus Schumacher "Grevenbroich muss sich mehr trauen"

Grevenbroich · Wo steht die Stadt heute und wo will sie hin? Der Partei- und Fraktionschef der Grevenbroicher FDP spricht über die Probleme des Einzelhandels in der Innenstadt, verpasste Chancen und neue Möglichkeiten.

 Seit 2009 sitzt Markus Schumacher für die FDP im Grevenbroicher Stadtrat.

Seit 2009 sitzt Markus Schumacher für die FDP im Grevenbroicher Stadtrat.

Foto: Lothar Berns

Herr Schumacher, alle reden über die Zukunft der Innenstadt. Wie gerne gehen Sie in Grevenbroich einkaufen?

Markus Schumacher Eigentlich sehr gerne. Grevenbroich hat Potenzial und Flair ...

Das klingt nach einem Aber ...

Schumacher Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, mich mit Benjamin Brüser, einem der Gründer des Online-Lebensmittelshops "Emmas Enkel", auszutauschen. Wir haben auch über Grevenbroich gesprochen. Es ist ja ein flächendeckendes Phänomen in Nordrhein-Westfalen, dass die Innenstädte wegen des Internethandels große Probleme haben. Und Benjamin Brüser sagt auch: Egal wo, man stößt erst mal auf Zurückhaltung. Es gibt einfach bei zu vielen Unternehmen noch zu viele Berührungsängste. Die Einzelhändler sagen: Wir wollen die schöne alte Welt behalten. Das wird aber nicht funktionieren.

Was kann denn die Lösung sein?

Schumacher Die Konsumenten haben es mit in der Hand, darüber zu entscheiden, ob die Innenstadt so bleibt, wie sie ist. Gehe ich hier einkaufen, stärke ich meinen Standort und im Übrigen auch die Gewerbesteuereinnahmen. Oder kaufe ich vom Sofa aus? Meine Antwort darauf ist: Man muss das Internet lokalisieren. Erste Schritte dazu gehen andere Städte bereits. Daran muss sich der Grevenbroicher Einzelhandel orientieren. Nur so kann man versuchen, die Kaufkraft in Grevenbroicher Geschäften zu halten, weil die Kunden nun einmal die Vielfalt suchen. Darauf müssen Gewerbetreibende passende Angebote bereitstellen.

Wie soll so ein lokalisierter Online-Handel aussehen?

Schumacher Da gibt es verschiedene Modelle. Warum schließt sich der Einzelhandel nicht zusammen und bietet einen Lieferservice an? Wenn der Kunde, der ein ganz bestimmtes Produkt sucht, im Geschäft gesagt bekommt: Wir haben es gerade nicht vorrätig, können es aber bestellen und dir auch nach Hause liefern, dann bin ich sicher, dass der Kunde lieber vor Ort im Geschäft kauft. "Heute bestellt und morgen da" ist nicht immer das entscheidende Kaufkriterium. Was wir an dieser Stelle brauchen, ist eine Kultur des Ermöglichens anstatt einer "Egal was kommt"-Vorbehaltshaltung. Das wiederum ist aber ganz alleine Aufgabe der Unternehmen - zu entscheiden, was sie tun und was nicht. Die Politik kann nur Rahmenbedingungen setzen.

Sie sagen also, Grevenbroich traut sich zu wenig ...

Schumacher Fakt ist: Bei Prozessen, die Rat und Stadtverwaltung beeinflussen können, sind wir immer die letzte Kommune, die irgendetwas macht: Der Memoriam-Garten ist so ein Beispiel, das Thema "Internet", neue Medien. Wenn sich die Stadt zumindest mal an ein, zwei Dingen probieren und eine Vorreiterrolle einnehmen würde, dann wäre das auch ein potenzieller Standortvorteil, den man nach außen verkaufen könnte. Wir haben die beste geografische Ausgangslage, aber junge Familien in den uns nahem Metropolen wie Düsseldorf und Köln müssen Grevenbroich erst einmal wahrnehmen, um darüber nachzudenken, dass man hier, im Grünen, prima leben kann.

Ist es nicht auch so, dass Grevenbroich gar nicht weiß, wo es hin will?

Schumacher Richtig. Beim Leitbildprozess, der ja auf Antrag der FDP beschlossen worden ist, müssen wir ansetzen und klären: Wer sind wir, was wollen wir und wo wollen wir hin? Der Bürgermeister hat gesagt: Im Sommer geht es los, und daran will ich ihn auch messen.

Wie muss denn begonnen werden?

Schumacher Erst einmal müssen wir die Ausgangslage messen und dann festlegen: Welche Maßnahmen wollen wir ergreifen? Wollen wir nur Werbung machen oder tatsächlich etwas an der Struktur unserer Stadt verändern? Soll die Innenstadt erweitert oder sollen die Stadtteile gestärkt werden oder beides? Der Drohen-Flughafen ist eine Idee, die nicht von der FDP kommt, über die aber überhaupt nicht weiter diskutiert wird. Start-Up-Gründer Alexander Marten hat das, als er hier zu Gast war, sehr deutlich gemacht: Andere Kommunen kommen eventuell schneller um die Ecke. Und schon ist Grevenbroich wieder hinten an. Das dürfen wir nicht zulassen.

JULIA HAGENACKER UND WILJO PIEL FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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