Grevenbroich Das Orchideen-Paradies vor der Haustür

Grevenbroich · Hans-Josef Bolzek aus Neurath und seine Mitstreiter kümmern sich um wilde Orchideen, 13 Arten wurden in Grevenbroich festgestellt.

Bei einer Wanderung in den Dolomiten fing alles an. Vor 35 Jahren stieß der Grevenbroicher Techniker Hans-Josef Bolzek dort auf einen Haufen Orchideen: 72 Frauenschuhe auf zwei Quadratmetern. Der Hobbyfotograf zückte seine Kamera. Seitdem ist er den Orchideen treu geblieben - und kümmert sich darum, dass sie auch inGrevenbroich gedeihen können.

Der 71-Jährige ist Kreisbeauftragter des "Arbeitskreises Heimische Orchideen" (AHO). Dauernd ist er unterwegs, um die "Königinnen der Blumen-Orchideen zu pflegen. "Ich fühle mich den Orchideen besonders verbunden, weil sie in meiner Heimat wachsen", sagt Bolzek. Zusammen mit seinen Mitstreitern pflegt er die Grevenbroicher Orchideen. In ehrenamtlicher Arbeit hat der AHO die verschiedenen Arten kartiert, alle Standorte mittels GPS-Gerät verzeichnet. So lassen sich die Entwicklungen der Bestände genau nachvollziehen.

Außerdem sorgen die Orchideen-Freunde auch für gute Lebensbedingungen ihrer Schützlinge. "Die Pflege der Pflanzen ist uns total wichtig", sagt Bolzek. Denn Orchideen stellen besondere Anforderung an ihre Umwelt: Viel Sonnenlicht und wenig Konkurrenz. Wenn ihnen doch mal eine Pflanze Licht und Nährstoffe wegnimmt, rücken die Aktiven vom AHO mit Gummistiefel und Schaufel an und befreien die Orchideen. Diese Arbeit lohne sich, sagt Bolzek. Weil sich der AHO kümmert, konnte sich etwa die Population des "Gefleckten Knabenkrauts" in Grevenbroich in wenigen Jahren vervielfachen: "2010 haben wir noch 150 Exemplare gezählt, fünf Jahre später waren es schon weit über 750, die an einer Stelle wachsen. Das ist eine schöne weiße Wiese geworden", freut sich Bolzek.

Außerdem sind er und seine Mitstreiter immer auf der Suche nach neuen Arten. Im Juni 2015 entdeckten sie mit der "Grünen Waldhyazinthe" die 13. Orchideenart auf Grevenbroicher Stadtgebiet. "Bundesweit gibt es nur etwa 60 Arten - da ist eine solche Vielfalt schon bemerkenswert", sagt der 71-Jährige.

Fündig werden die Naturschützer meist im Rekultivierungsgebiet - etwa im Elsbachtal, aber auch auf der Königshovener und der Vollrather Höhe. "Dort bieten die kalkhaltigen Böden optimale Bedingungen für die Pflanzen", berichtet Bolzek. Geradezu flächendeckend haben sich dort der "Breitblättrige Stendelwurz", das "Große Zweiblatt" und der "Bienenragwurz" breit gemacht, die häufigsten Orchideen-Arten.

Einige Gattungen sind jedoch stark bedroht. Etwa die Bocks-Riemenzunge, die im Juni 2008 auf der Königshovener Höhe entdeckt wurde. Verglichen mit ihren Artgenossinnen aus den tropischen Regenwäldern sieht die Pflanze wenig sensationell aus: Sie protzt weder mit einem exotischen Blütenfeuerwerk, noch mit einem betörenden Geruch. Im Gegenteil: "Die Bocks-Riemenzunge ist eher unauffällig. Außerdem stinkt sie gewaltig - nach Ziegenbock, worauf ihr Name zurückzuführen ist", erklärt Hans-Josef Bolzek. Da diese Art so extrem selten ist, wurde ihr Refugium nach dem Fund im Jahr 2008 sogar großräumig umzäunt.

Interessierten Grevenbroichern versucht der AHO die zierlichen Pflanzen bei Führungen näher zu bringen. Etwa bei der im Mai diesen Jahres von der Forschungsstelle Rekultivierung von RWE veranstalteten Naturkunde-Exkursion. "Wir wollen darauf hinweisen, was für schöne Pflanzen es hier in unserer Heimat gibt", sagt der 71-Jährige. Immer wieder seien Leute überrascht, dass die Pflanze quasi auch vor der eigenen Haustür wächst. Viel bekannter sind nämlich die Orchideen aus Asien und Afrika, die viele auch zu Hause halten. Daher gilt die Orchidee vielen als exotische Pflanze aus dem Blumenladen. Die Verwandtschaft sei aber zu erkennen, sagt Bolzek. Spätestens an den schönen Blüten.

Die stark bedrohten Arten zeigt er bei den Führungen aber nicht. Zu groß ist die Angst vor "Spaten-Touristen", die sich die schönsten Pflanzen in den eigenen Garten holen wollen. Das wollen nicht nur die Mitglieder des AHO, sondern auch der Gesetzgeber verhindern, erklärt Bolzek. Es sei verboten, Pflanzen "jeglicher Orchideenart auszugraben oder abzupflücken", sagt der 71-Jährige. Viel zu oft passiere das dennoch - aus Unwissenheit. "Hier in Deutschland werde so manche Orchideen als vermeintliches Unkraut ausgerissen. Aber wer den charakteristischen Blütenaufbau aufmerksam betrachtet, der merkt, worum es sich tatsächlich handelt", erläutert Hans-Josef Bolzek.

(NGZ)
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