Grevenbroich "Auch Jobcenter-Kunden verdienen Respekt"

Grevenbroich · Hartmut Schmidt arbeitet ehrenamtlich für die Tafel. Er selbst wünscht sich als Sozialleistungsempfänger oft einen menschlicheren Umgang.

 Hartmut Schmidt fährt einen von sechs Transportern, die wöchentlich 15 bis 20 Tonnen Lebensmittel für die Grevenbroicher Tafel abholen.

Hartmut Schmidt fährt einen von sechs Transportern, die wöchentlich 15 bis 20 Tonnen Lebensmittel für die Grevenbroicher Tafel abholen.

Foto: L. Berns

In Grevenbroich kennen viele Menschen Hartmut Schmidt, den großen, freundlichen Mann mit dem schwarzen "Piraten-Kopftuch", der an jedem Finger und im linken Ohr einen Ring aus Silber trägt. Typ: "Harte Schale, weicher Kern". Seit neun Jahren ist der Elsener ein Gesicht der Grevenbroicher Tafel. Als Ehrenamtler, Ein-Euro-Jobber und jetzt als "Bufti" sorgt er dafür, dass Menschen mit wenig Geld preiwert Essen kaufen können.

700 Erwachsene und 300 Kinder sind mittlerweile Tafel-Kunden. Schmidt fährt einen von sechs Transportern, die wöchentlich 15 bis 20 Tonnen Lebensmittel von Supermärkten, Discountern, Bauernhöfen und Unternehmen abholen. Machmal steht er auch am Eingang und passt auf, dass es beim Einlass kein Gedränge gibt. An Hartmut Schmidt muss jeder vorbei. Dass der 61-Jährige selber seit Jahren jeden Cent zweimal umdrehen muss, ahnen viele Tafel-Besucher wahrscheinlich gar nicht.

"Seit meine Frau und ich nicht mehr arbeiten können, sind wir auf die Hilfe des Jobcenters angewiesen, und das", sagt Schmidt, "ist manchmal ganz schön hart. Jeder Mensch hat ein Recht auf einen vernünftigen Umgang, nur ist das leider überhaupt nicht selbstverständlich - beim Jobcenter werden Leute ganz oft systematisch klein gemacht, darauf möchte ich einfach mal aufmerksam machen."

Bei Hartmut Schmidt ist das so: Er war mal Berufskraftfahrer, hat jahrelang große Lkw gesteuert, bis ihm der Rücken und die Bandscheibe einen Strich durch die Rechnung machten: Arbeitsunfähigkeit. Seine Frau, die acht Jahre jünger ist, ereilte ein ähnliches Schicksal. Nach 20 Jahren Arbeit im Zentrallager eines großen Lebensmitteldiscounters machte der Körper plötzlich nicht mehr mit. "Wir waren mal gut verdienende Leute", sagt Schmidt. "Und ich bin ja auch niemand, der auf der faulen Haut liegt. Trotzdem hatten meine Frau und ich als Jobcenter-Kunden in den vergangenen Jahren oft das Gefühl, dass wir das Letzte sind." Den Sachbearbeitern, kritisiert der Elsener, fehle es häufig an Geduld und Feingefühl. "Wenn du als Leistungsempfänger einen Fehler machst, wird mit Sanktionen gleich so zugeschlagen, dass du am Boden liegst", sagt Hartmut Schmidt. "Aber wenn bei denen mal was schiefläuft, wie jetzt wieder, als ich meinen Umzug nach einer Kündigung wegen Eigenbedarfs verschieben musste, weil meine Anträge wochenlang nicht bearbeitet wurden, bekommt man noch nicht mal eine Entschuldigung."

Christoph Janßen, Sprecher des Jobcenters im Rhein-Kreis, hat für den Ärger Verständnis. Wenn sich Kunden ungerecht behandelt fühlen, liege die Ursache oft in der Komplexität des Rechtsgebiets, sagt er. Auch die häufig nicht einfache Lebenssituation, in der sich die Leistungsbezieher befinden, trage zu dem Gefühl bei. "Wir sind uns dessen bewusst und bemühen uns, bei Bedarf die Hintergründe unserer Entscheidungen verständlich zu machen. Dafür werden unsere Mitarbeiter regelmäßig geschult, auch im Bereich der Kommunikation. Wir begreifen das Jobcenter als lernende Organisation."

Bei Hartmut Schmidt soll sich in den nächsten Tagen ein Jobcenter-Mitarbeiter melden - um die Umzugsärger-Geschichte aufzuarbeiten. Für den 61-Jährigen wäre das zumindest ein Anfang. "Ich verlange ja nicht viel", sagt er. "Nur ein wenig Respekt."

(NGZ)
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