Grevenbroich Archäologen lüften Geheimnis alter Gräber

Grevenbroich · Was aßen die alten Frimmersdorfer, unter welchen Krankheiten litten und in welchem Alter starben sie? Der Landschaftsverband hat die auf dem alten Friedhof entdeckten Knochen untersucht - und gibt jetzt Antworten.

 Gut erhalten: ein Rosenkranz aus Glasperlen mit Anhänger.

Gut erhalten: ein Rosenkranz aus Glasperlen mit Anhänger.

Foto: LVR

Wissenschaftler des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) lüften die letzten Geheimnisse des uralten Friedhofes, der an der St.-Martin-Kirche in Frimmersdorf entdeckt wurde. Die Knochen von 101 Toten, die dort vom elften bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts bestattet wurden, sind in den vergangenen Monaten gründlich von Bettina Jungklaus untersucht worden. Wie alt wurden die Verstorbenen, wie waren sie ernährt und an welchen Krankheiten haben sie gelitten? Das waren Fragen, auf die die Anthropologin Antworten fand.

Bei Aushubarbeiten für das neue Pfarrzentrum war ein Baggerfahrer im Sommer 2015 auf die Reste eines Friedhofs gestoßen. Mitarbeiter des Amtes für Bodendenkmalpflege legten daraufhin 101 Gräber frei - und förderten dabei auch neue Erkenntnisse zur lokalen Geschichte zutage. So konnte nachgewiesen werden, dass in Frimmersdorf schon im elften oder zwölften Jahrhundert eine Kirche stand. Damit ist die Pfarre, die erstmals auf einer Urkunde von 1210 erwähnt wurde, weitaus älter als bisher angenommen.

 Grabbeigabe auf dem Frimmersdorfer Friedhof: ein Wallfahrtspfennig aus der Benediktiner-Abtei St. Matthias in Trier. Teile eines sogenannten Fünf-Wunden-Rosenkranzes aus Knochen: ein stilisierter Schädel und ein Fuß. Grabbeigabe auf dem Frimmersdorfer Friedhof: ein Wallfahrtspfennig aus der Benediktiner-Abtei St. Matthias in Trier. Teile eines sogenannten Fünf-Wunden-Rosenkranzes aus Knochen: ein stilisierter Schädel und ein Fuß.

Grabbeigabe auf dem Frimmersdorfer Friedhof: ein Wallfahrtspfennig aus der Benediktiner-Abtei St. Matthias in Trier. Teile eines sogenannten Fünf-Wunden-Rosenkranzes aus Knochen: ein stilisierter Schädel und ein Fuß. Grabbeigabe auf dem Frimmersdorfer Friedhof: ein Wallfahrtspfennig aus der Benediktiner-Abtei St. Matthias in Trier. Teile eines sogenannten Fünf-Wunden-Rosenkranzes aus Knochen: ein stilisierter Schädel und ein Fuß.

Foto: LVR

Die nun abgeschlossene anthropologische Untersuchung der Gräber hat Seltenheitswert - weil es das in dieser Größenordnung im Rheinland noch nicht gab, sagt Erich Claßen, Leiter der Außenstelle Overath des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege. Sollte es künftig anderenorts weitere Grabungen geben, könnten die in Frimmersdorf gewonnenen Erkenntnisse zum Vergleich hinzugezogen werden.

Wie Bettina Jungklaus analysierte, ist ein Großteil der Bestatteten im Alter zwischen 40 und 59 Jahren gestorben. "Das ist charakteristisch für eine vorindustrielle Bevölkerung", sagt Claßen. "Die Leute wurden damals noch nicht so alt wie heute." Ebenso zu erwarten sei der relativ hohe Anteil von Frauen gewesen, die im gebärfähigen Alter (20 bis 39) das Zeitliche segneten. "Obwohl schwanger, waren diese Frauen oft einer erhöhten Belastung durch harte Arbeit ausgesetzt", betont Claßen. "Da war das Risiko, früh zu sterben, natürlich höher."

 Gut erhalten: ein Rosenkranz aus Glasperlen mit Anhänger.

Gut erhalten: ein Rosenkranz aus Glasperlen mit Anhänger.

Foto: LVR

Auffällig: Die in den Gräbern gefundenen Skelette waren recht klein. Das deute darauf hin, dass die Menschen damals weniger eiweißhaltige, sich auf den Körperwuchs positiv auswirkende Nahrung wie Fleisch oder Fisch zu sich genommen haben. Interessant: Die Skelette aus der jüngeren Phase (nach 1765) waren kleiner als die aus dem Mittelalter. "Das spricht für eine schlechtere Ernährung und Hygiene in der Neuzeit", sagt Claßen.

Insgesamt wurden die Knochen von 43 Frauen und 42 Männern untersucht. Dabei sei festgestellt worden, dass die meisten der Verstorbenen zu Lebzeiten unter Karies litten. Bei 30 Prozent der Untersuchten wurden Veränderungen der Kopfhaut festgestellt, die auf Ekzeme deuten, die möglicherweise durch Läuse verursacht wurden. Und: "Bei fast zwei Dritteln der Individuen wurden Infektionen der oberen Atemwege festgestellt", sagt Erich Claßen. "Das spricht für eine schlechte Luftqualität." Viele Häuser seien verraucht gewesen, etwa infolge offener Herdfeuer.

Zu den interessanten Einzelfunden zählt Claßen einen verkürzten Handknochen an einem weiblichen Skelett. "Offenbar hat die Frau diesen angeborenen Defekt mit einem Handschuh verdeckt, von dem noch Reste entdeckt wurden, über denen ein Ring steckte", berichtet der Wissenschaftler. Außergewöhnlich seien die sterblichen Überreste einer Frau, die an Skorbut und Osteoporose litt und wahrscheinlich an Leukämie starb. "Das diese Krebskrankheit an historischen Skeletten nachgewiesen wird, ist sehr selten", berichtet Erich Claßen. "Das bedarf weitergehender Untersuchungen." Grabbeigaben seien erwartungsgemäß auf einem christlichen Friedhof nicht gefunden worden, abgesehen von Rosenkränzen oder einem Wallfahrtspfennig.

Auffällig ist, dass nur wenige kindliche Skelette gefunden wurden. Das könne daran liegen, dass Kinder in einem Bereich des Friedhofs bestattet wurden, der nicht untersucht werden konnte, meint Erich Claßen. Eine Zusammenfassung der Grabungen wird er im Jahrbuch des Kreisheimatbundes veröffentlichen, das im kommenden Monat erscheint.

(NGZ)
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