Uedem Vier Jahrzehnte Feuer und Flamme

Uedem · Vieles hat Gerhard Ingenerf in seinen 43 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr erlebt. Nun ist er als Chef der Truppe in den Ruhestand getreten und wurde von Freunden und Kollegen verabschiedet. Was bleibt, sind viele Erinnerungen.

 Gerhard Ingenerf verabschiedet sich in den Ruhestand.

Gerhard Ingenerf verabschiedet sich in den Ruhestand.

Foto: Evers Gottfried

Schwerste Unfälle, brennende Windanlagen, versunkene Pferde - kaum ein Szenario, das Gerhard Ingenerf in seinen 43 Jahren im Dienst der Feuerwehr Uedem nicht erlebt hätte. Nun hatte er seinen letzten Tag als Chef der Freiwilligen Feuerwehr, der er seit dem Jahr 2000 vorsteht.

Als Jugendlicher kam er das erste Mal mit der Wehr in Kontakt. "Ich war damals bei einem Unfall dabei. Es gab noch keine hydraulischen Hilfsmittel, wie wir sie heute haben", sagt er. Erst nach anderthalb Stunden habe die Feuerwehr die Verletzten befreien können. "Als ich sie wenige Wochen später wieder völlig gesund auf der Straße gesehen habe, wusste ich, dass ich helfen möchte und die Feuerwehr genau das Richtige für mich ist." Und dieses Gefühl habe bis heute nicht nachgelassen. Auch, wenn er und seine Kollegen viele Einsätze erlebt hätten, die nur schwer zu verkraften gewesen seien. "Ich erinnere mich an einen Unfall einer Familie, bei der die Eltern und ihr Sohn ums Leben kamen und wir nur noch die Leichen bergen konnten", sagt er. Eine Notfallseelsorge für Feuerwehrleute habe es noch nicht gegeben. Auch sei es damals verpönt gewesen, sich nach solchen Einsätzen Hilfe zu holen. Wenn, dann habe man über solche Fälle in der Truppe gesprochen.

Gezweifelt habe er nie an seiner Arbeit, trotz der vielen Unfälle, die er gesehen hat. "Es ist immer etwas besonderes, wenn man Menschenleben retten kann", sagt er. Möglich gemacht hat das, so sagt er, vor allem seine Familie. "So ein Engagement klappt nicht ohne die volle Rückendeckung der Familie". Denn, was viele Uedemer vergessen würden: Bei den Feuerwehrleuten handele es sich um Freiwillige. Jeder von ihnen hat einen Job, als Feuerwehrmann arbeiten die meisten nur ehrenamtlich. "Ich hatte das Glück, dass sich mein Schwiegersohn sehr oft um meinen Betrieb gekümmert und auch der Rest der Familie immer mit angepackt hat, wenn ich mal wieder zu einem Einsatz musste", sagt Ingenerf, dem ein landwirtschaftlicher Betrieb gehört.

Neben den vielen tragischen Unfällen bleiben Ingenerf aber auch einige skurrile Einsätze in Erinnerung. "Besonders an die Rettung eines Pferdes, das komplett in einer schlammigen Grube untergegangen war, erinnere ich mich. Wir haben das Tier dann in einem sehr aufwändigen Einsatz befreien können", sagt er. Die Besitzerin sei so dankbar gewesen, dass sie die Retter auf einen Umtrunk in ihre Küche einlud. "Da saßen wir dann in voller Montur in der Küche und hatten noch einen netten Abend", erzählt Ingenerf schmunzelnd. Diese Form des Dankes sei aber eher die Ausnahme. Zwar komme es schon ab und an mal vor, dass sich Angehörige oder Gerettete persönlich Bedanken, die allermeisten aber sehe man - sofern sie nicht in der Nähe wohnten - nicht wieder.

Was sich im Laufe seiner 43 Jahre geändert habe, sei das Verhalten der Menschen während der Einsätze. "Besonders seitdem fast jeder ein Smartphone besitzt, nehmen die Probleme mit Gaffern während der Einsätze immer mehr zu", sagt er.

An Attraktivität verloren hat das Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr hingegen nicht. Im Gegenteil. Besonders stolz ist Gerhard Ingenwerf darauf, dass er in seiner Zeit als Chef die Jugendfeuerwehr hat aufbauen können. "Das war zu Beginn eines meiner Anliegen, genau wie die Modernisierung unseres Fuhrparks und der Ausrüstung", sagt er. Beides sei relativ schnell gelungen. 2002 wurde die Jugendfeuerwehr gegründet, wenig später die ersten neueren Fahrzeuge angeschafft. Erst kürzlich kam ein ganz neuer Einsatzwagen hinzu. Inzwischen ist die Freiwillige Feuerwehr 89 Männer und Frauen stark. Zahlreiche gemeinsame Übungen und Feste haben im Laufe der Jahre den Zusammenhalt gestärkt. Kein Wunder also, dass es Gerhard Ingenerf nicht leicht gefallen ist, in den Ruhestand zu gehen. "Von Anfang an war mir die Kameradschaft innerhalb der Feuerwehr sehr wichtig. Mit vielen Kollegen besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis", sagt er. Seine Feuerwehr weiß er bei seinem Nachfolger Alexander Janßen aber in guten Händen.

Fragt man ihn nach seinen Wünschen, so dürften dabei auch seine Erlebnisse aus 43 Dienstjahren eingeflossen sein: "Gesundheit und Zeit mit der Familie", antwortet er fast schon ehrfürchtig. "Vielleicht sind die Kinder auch etwas zu kurz gekommen." Das wolle Ingenerf nun nachholen. Besonders auf die Zeit mit seinen drei Enkelkindern freue er sich. Und wenn neben der Arbeit in seinem Betrieb noch Zeit bleibe, sei vielleicht auch mal wieder ein Urlaub mit seiner Frau drin - ganz ohne Bereitschaftshandy und Feuerwehrmontur.

(maxk)
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