Goch Surreales Paradies löst Apokalypse ab

Goch · Museum Goch zeigt ab morgen eine neue Ausstellung von M.S. Bastian und Isabelle L. Das Künstlerpaar aus der Schweiz hat vier großformatige comicartige Darstellungen der Jahreszeiten mitgebracht. Ein verwirrendes Paradies.

 Paradiesisch im Gocher Museum: der Sommer von M.S. Bastian udn Isabelle L.

Paradiesisch im Gocher Museum: der Sommer von M.S. Bastian udn Isabelle L.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Knallige Farben, putzige Gestalten, schräge Vögel in einer dichten, wahnwitzig lebendigen Vegetation: Wer die Künstler, die dies geschaffen haben, für naive Phantasten hält, muss sich mal ihre älteren Werke ansehen. Oder sich nur daran erinnern, was sie in Goch im Jahr 2008/09 zeigten: die "Bastokalypse", ein beklemmendes Riesenbildnis all der Schrecknisse und Horrorszenarien, die unsere Welt schon erlebt hat. Damals war die inzwischen abgerissene Kaserne, deren Fehlen Dr. Stephan Mann als Kreativraum sehr weh tut, der Ort, an dem die Kunstinteressierten das Monumentalwerk der beiden Schweizer M.S. Bastian und Isabelle L. bestaunen konnten. Jetzt wartet ein paradiesischer Gegenentwurf des Paares darauf, hinterfragt zu werden: Morgen wird die Ausstellung "Paradis mysterieux" eröffnet.

 M.S. Bastian und Isabelle L. interpretieren die vier Jahreszeiten im Gocher Museum poppig.

M.S. Bastian und Isabelle L. interpretieren die vier Jahreszeiten im Gocher Museum poppig.

Foto: Gottfried Evers

Viereinhalb mal zwei Meter groß sind die vier Arbeiten, die in Öl auf jeweils drei Leinwänden entstanden sind. Sie zeigen in bunter Comicsprache die vier Jahreszeiten, wie sie wohl auch ein Kind beschreiben würde: eine zarte Blumenpracht im Frühjahr, die etwas schwerer wirkende Fülle des Sommers, der dunklere, mit Pilzen und Flechten leicht modrig wirkende Herbst, der weiße Winter, dessen Schnee und klare Luft die Welt verzaubert. Unzählige Tiere sind auf allen Arbeiten zu sehen. Und seltsam: Niemand tut dem andern etwas zuleide, die Schlange ist ebenso friedlich wie das Äffchen, kein Raubtier fährt seine Krallen nach Schwächeren aus. Es ist ein Paradies, das Bastian und Isabelle da zeigen.

Wäre da nicht immer wieder der kleine "Pulp", ein großäugig staunendes weißes Mini-Monster, das leicht erschreckt auf die Welt um es herum blickt. Schon auf dem "Bastokalypse"-Fries war es zugegen. Mal steht es starr im Raum, mal lugt es ängstlich hinter einem Baum empor. Die Einschätzung all dessen, was sich ihm da in den Weg stellt, fällt dem Kleinen offenkundig schwer. Vielleicht ahnt Pulp auch, dass es nur ein Moment ist, der sich da so paradiesisch zeigt. Er hat ja schon die andere Seite der Vollkommenheit kennengelernt. Und auch wir sehen die scharfen Zähne der umherfliegenden Fische, die vielleicht nur für kurze Zeit harmlos sind. Gar nicht zu reden von der Gestalt mit den Krummhörnern; sie sieht dem Teufel ziemlich ähnlich.

"Wenn manche Besucher nur die Fröhlichkeit der Bilder sehen und Spaß haben, ist es auch gut", sagt Museumsleiter Dr. Stephan Mann. "Warum soll Kunst nicht pure Freude bereiten?" Weil auch ohne die Wahrnehmung der Tiefenstruktur (die das Werk optisch gar nicht hat, denn es fehlt jegliche Perspektive) die paradiesischen Jahreszeiten lohnende Wahrnehmungen sind, dürfte der Besuch der Ausstellung auch Kindern gefallen. "Schon viele Schulklassen aus der Umgebung haben sich angemeldet. Sie können auch selbst aktiv werden, denn es wird eine garagengroße Ausmalbox geboten, die die Kinder ausmalen dürfen. Bastian und Isabelle geben die Konturen vor und überlassen den jungen Kreativen dann die farbstifte und weißen Wände zur Gestaltung", erklärt Museumspädagogin Jasmin Schöne. Eltern können sich übrigens im Saal nebenan mit einem Kaffee stärken und auf einem Fernsehbildschirm sogar verfolgen, was ihre Kinder malen.

"Die Verbindung von Comiczeichnung und Malerei ermöglicht den Betrachtern unendlich viele Eindrücke", erklärt Dr. Mann. Statt einer fast biblisch anmutenden Apokalypse, wie sie damals in der Kaserne zu sehen war, ist es jetzt das kaum weniger irritierende Motiv des Paradieses, das hier in vielen Sinnbildern zitiert wird. Der undurchdringliche, aber nicht beklemmend wirkende Dschungel, der angstfreie Umgang der Tiere miteinander, Fische, die auch ohne Wasser schwimmen - das alles ist surreal, eben ein "paradis mystérieux". Erklärt wird nichts. Eines fällt wohl jedem angesichts der kunstvollen "Wimmelbilder" auf: In diesem Paradies gibt es keine Menschen. Vor welcher Vision also stehen wir?

Nach Anmeldung werden Führungen angeboten, 25 Euro pro Gruppe plus Eintritt. Bei der Familienführung gehört ein Getränk und Malen in einer speziellen Ausmal-Box des Künstlerpaares dazu. Öffentliche Führungen gibt es jeweils donnerstags um 15 Uhr, dann ist nur der Eintritt zu zahlen. Zur Eröffnung am Sonntag um 11.30 Uhr gibt es parallel ein "Kid's opening".

(RP)
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