Goch Stasi-Opfer berichtet in der Gaesdonck

Goch · Zeitzeuge Burkhard Seeberg war Gast am Gymnasium und berichtete den angehenden Abiturienten.

 Burkhard Seeberg.

Burkhard Seeberg.

Foto: MVO

Einen Zeitzeugen aus einer Epoche, die heutigen Schülern ziemlich fremd ist, hatte jetzt das bischöfliche Gymnasium Gaesdonck zu Gast. Eingeladen war Burkhard Seeberg, der über das Thema "DDR hautnah" referierte. Der Mann, der das DDR-Regime auf besondere Weise kennenlernte, ermöglichte den Schülern einen seltenen Blick in die deutsch-deutsche Geschichte. Seeberg besucht im Auftrag der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Schulen in ganz Deutschland und fand jetzt in der "Q2", dem Jahrgang der angehenden Abiturienten, aufmerksame Zuhörer. Franziska Thönnissen, Schülerin der Jahrgangsstufe, fand den Vortrag besonders spannend und berichtete der RP davon.

Als Münsteraner im Jahre 1954 geboren, kann Burkhard Seeberg eine etwas andere DDR-Fluchtgeschichte erzählen als die, die man von DDR-Flüchtlingen aus Geschichtsbüchern oder aus dem Fernsehen kennt. Der Westdeutsche plante nicht seine eigene Flucht, sondern die seiner damaligen Freundin und späteren Frau Heidemarie. Das Paar lernte sich im Jahr 1973 bei den Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Ost-Berlin kennen. Durch sein politisches Engagement in der DKP erhielt Burkhard Seeberg die Möglichkeit, als Delegierter mit einem Tagesvisum nach Ost-Berlin zu reisen und an den Spielen teilzunehmen. Dort traf er zum ersten Mal auf "Ostbürger", unter anderem auf seine spätere Freundin.

Ihre Briefe wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Stasi geöffnet, gelesen und kopiert, so dass Burkhard Seeberg Vorsicht und Geheimhaltung lernte. 1979 versuchte er, seiner Freundin mit gefälschten Papieren zu helfen. Ihre geplante Flucht über Budapest scheiterte wohl an den gefälschten Stempeln, glaubt Seeberg, da die Stempelfarbe in unvorsehbaren Abständen von den Kontrolleuren geändert wurde. Beide wurden in Haft genommen. Seeberg berichtete von seiner Einzelhaft im Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen: ständige Kontrollen, ganz wenig Hofgang, nur seltenes Duschen. Schlimmer: Beschattung, Protokollierung, Schikane aller Art. In Bautzen saß er schließlich drei Jahre wegen versuchten Menschenhandels ein. Seine Freundin erhielt zwei Jahre und zwei Monate Freiheitsstrafe wegen Republikflucht. Beide wurden später vom Westen für jeweils 80 000 D-Mark freigekauft.

"Burkhard Seebergs Lebensgeschichte gibt einen Einblick in den Alltag und das Denken der Bürger, wie es Geschichtsbücher kaum können", sagte Franziska Thönnissen nach seinem Besuch am Gymnasium. "Sein Zeitzeugenbericht geht unter die Haut und hilft nachzuvollziehen, warum es zu den gefährlichen Fluchten kam und wie sich die Menschen in der DDR gefühlt haben müssen." Seeberg erhielt später Einsicht in die über ihn geführten Stasi-Unterlagen.

(nik)
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