Goch Spenden an Tafel reichen nicht mehr aus

Goch · Immer mehr Asylbewerber kommen zur Lebensmittelausgabe und treten mit den Hartz-IV-Empfängern in Wettbewerb. Mehr Kunden, aber keinesfalls mehr Spenden - ein Problem. Niemand wird bevorzugt, versichern die Ehrenamtler.

 Lothar Thissen, Petra Rother und Karin Brauwers gehören zu den 64 Helfern, die bei sich bei der Gocher Tafel engagieren.

Lothar Thissen, Petra Rother und Karin Brauwers gehören zu den 64 Helfern, die bei sich bei der Gocher Tafel engagieren.

Foto: PRIVAT

Sabine ist seit Jahren Kundin der Gocher Tafel. Früher kam die Hartz-IV-Empfängerin zweimal in der Woche, inzwischen ist sie nur noch dienstags an der Reihe. Ganz so lange hält das frische Gemüse nicht, das sie in ihre Tasche packt. Bis zum nächsten Dienstag muss sie nun auch Sachen essen, die sie weniger mag. "Wir mussten die Gruppe teilen, weil es anders nicht mehr zu organisieren war", erklärt Lothar Thissen vom Leitungsteam der Tafel. Denn die Anzahl der Hilfebedürftigen hat deutlich zugenommen. Immer mehr Asylbewerber reihen sich in die Kundschaft ein.

"Das Schlimme ist, dass die Spenden nicht mehr werden", sagt Thissen. Die Supermärkte geben ab, was sie können, vorwiegend Produkte, die nahe am Verfallsdatum sind oder optisch nicht mehr 1a. Aber unterm Strich habe sich die Menge im Laufe der Jahre eben nicht erhöht, während die Kunden deutlich mehr geworden sind. "Hätten wir den Großhändler Jomo aus Weeze nicht, sähe es für unsere Tafel ziemlich schlecht aus", erklärt der Ehrenamtler.

Ingrid Clink kann Zahlen nennen: "Wir haben etwa 400 Kundenkarten ausgegeben, ein Großteil der Leute kommt regelmäßig. Es sind etwa 150 Singles, einige Paare und immer mehr Familien mit zum Teil vielen Kindern. Da hängen dann an einem Bezugsschein bis zu sieben, acht Leuten dran."

Ein Euro pro Einkauf ist von den Kunden zu zahlen - ein eher symbolischer Betrag. Damit die Empfänger nicht das Gefühl haben, Almosen zu bekommen. Die Damen an der "Kasse" haben Listen mit den Nummern der Kundenkarten vor sich liegen. "Sie sollen alle zu bestimmten Uhrzeiten kommen, damit es nicht zu einem Riesengedränge kommt", erklärt eine der Helferinnen. Das klappt natürlich nicht so ganz, aber das Prinzip entzerrt den Zustrom zumindest ein wenig.

Insider sagen, die Scham der Kunden sei heute nicht mehr so groß wie vor Jahren. Tafeln gibt es inzwischen in fast allen Städten, und dass es nicht sinnvoll ist, gute Lebensmittel wegzuwerfen, sehen heute auch viele Verbraucher so, die sich Einkäufe zum regulären Preis leisten können. Auch, wenn inzwischen offener mit dem Thema umgegangen wird: Der Zugang zur Gocher Tafel ist noch immer "hinten rum". Vorne an der Frauenstraße ist nur der Zugang zum Büro der "Arche", die als Verein Träger der Tafel ist. Die Mitarbeiter geben an Gocher, die ihre Bedürftigkeit nachweisen können, die Kundenkarten aus. Paul Roeben und andere Ehrenamtler beraten zudem in Notlagen. "Wir müssten eigentlich Dolmetscher hier haben, denn es kommen immer mehr Menschen zu uns, die kaum Deutsch sprechen", erklärt er.

Gibt es Probleme zwischen den verschiedenen Gruppen, vielleicht Neid oder Aggressionen? Darauf hat Thissen eine klare Antwort: "Vom Tafel-Team wird jeder gleich behandelt. Wenn hier jemand meint, als Deutscher müsste er mehr bekommen, kriegt er den Wind von vorne." Petra Rother und Karin Brauwers, die an diesem Tag Dienst haben, sind froh, dass die Warenmenge wieder einmal so gerade eben ausreicht. Gutes Brot von gestern wandert in zahlreiche Körbe, viel Grünes, Wurst und Käse, auch Wasch- und Pflegemittel.

Insgesamt 64 Ehrenamtler fahren für die Gocher Tafel, sortieren, portionieren und geben Waren aus. Nicht jeder will für seinen selbstlosen Einsatz bewundert werden. Eine ehemalige Geschäftsfrau zum Beispiel berichtet: "Als ich mich zur Ruhe setzte, merkte ich, dass ich anfing, die Zeit zu verplempern. Ich saß morgens immer länger am Frühstückstisch, dabei gibt es doch so viel zu tun." Bei der Tafel habe sie eine sinnvolle Betätigung und viele Kontakte gefunden.

(RP)
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