Goch Minenopfer dank Hilfe aus Goch glücklich

Goch · Ein junger Afghane hat Mitarbeiter des Friedensdorfes in Kabul besucht und von seiner Zeit im Gocher Krankenhaus berichtet. Als Achtjähriger war er dort zur Behandlung bei Prof. Lindecken.

Es hat nicht viel gefehlt, und Sadar hätte sein Bein verloren. Der damals achtjährige Junge aus Afghanistan war 1988 auf eine Landmine getreten. In dem vom Bürgerkrieg schwer getroffenen Land hätte ihm medizinisch kaum geholfen werden können. Sadhar Sakhi aber hatte Glück und wurde vom Friedensdorf Oberhausen als eines der ersten Kinder zur Operation nach Deutschland vermittelt: Im Gocher Wilhelm-Anton-Hospital nahm sich Prof. Karl Detlef Lindecken gleich zwei schwer verletzter Jungen an und konnte verhindern, dass ihnen Gliedmaßen amputiert werden mussten.

Seit damals sind Friedensdorf-Mitarbeiter viele Male in Afghanistan gewesen und haben verletzte Patienten aus- und gesunde Kinder heimgeflogen. In diesem Jahr fand der 71. Hilfseinsatz statt. Der inzwischen erwachsene Sadar besuchte dabei die Friedensdorf-Mitarbeiter in Kabul und brachte Fotos von damals mit. Eine ganz besondere Begegnung, die Erinnerungen an alte Zeiten wachrief. Und Prof. Lindecken bekam die Fotos natürlich auch zu sehen.

1989 hatte das Wilhelm-Anton-Hospital in Goch kostenfreie Behandlungsplätze für Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten zur Verfügung gestellt. Lindecken, damals Chefarzt der Klinik für Chirurgie und Unfallchirurgie, hat das Schicksal Sadars nicht vergessen: "Es handelte sich um eine drittgradig offene Unterschenkel- und Kniegelenksfraktur mit infektiöser Entzündung des Knochenmarks und Falschgelenkbildung." Ein Blick auf die Röntgenbilder und in den Arztbrief von 1989 bestätigt seine Aussage.

Doch nicht nur an die Diagnose und Behandlung erinnert sich der frühere Chefarzt: "Ich habe noch genau vor Augen, wie Sadar und sein Mitpatient Zarif durch den Krankenhauspark und über die Stationsflure flitzten." Fotos zeigen den genesenden Jungen an einer Turnstange im Krankenhauspark in Begleitung einer Krankenschwester. Sie und alle anderen, die sich damals um ihn kümmerten, hat er bis heute in dankbarer Erinnerung. Zehn Monate verbrachten die beiden Jungen im Gocher Krankenhaus, bevor sie jeweils mit zwei gesunden Beinen zurück zu ihren Familien nach Afghanistan gebracht wurden. Eine zwischenzeitlich drohende Amputation konnte dank der ärztlichen Hilfe verhindert werden.

Heute hat sich Prof. Dr. Lindecken vom Operationstisch entfernt und auf die Lehre verlegt. Junge Menschen führt er an der Ruhr-Universität Bochum und der Bildungsakademie für Gesundheitsberufe der Katholischen Karl-Leisner-Trägergesellschaft in Kleve in die Chirurgie und verwandte Bereiche ein.

Die medizinische Versorgung in Afghanistan ist nach wie vor völlig unzureichend, weswegen das Friedensdorf seine Hilfe fortsetzt. Die afghanischen Kinder stellen (neben den angolanischen) die größte Kindergruppe dar, derer sich das Friedensdorf bundesweit mit Unterstützung zahlreicher Kliniken annimmt, um ihnen eine zweite Chance auf ein gesundes Leben zu geben.

Sadar hat diese Chance genutzt. Mit Reparaturarbeiten verdient er sein Geld. Seine Geschichte berührte auch Thomas Jacobs, den Leiter des Friedensdorfes, der über langjährige Erfahrungen in der medizinischen Einzelfallhilfe verfügt: "Begegnungen wie die mit Sadar überzeugen uns immer wieder davon, dass wir das Richtige tun. Sie motivieren uns zum Weitermachen und bewahren uns davor, angesichts der vielen Krisen den Mut zu verlieren."

Das Friedensdorf ist bei seiner Arbeit auf Spenden angewiesen. Mehr Infos und Kontakt im Internet unter www.friedensdorf.de.

(RP)
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