Goch Hausarzt: Stabwechsel nach 32 Jahren

Goch · Mit dem Jahr 2018 kommt was Neues. Ab sofort werden die Patienten von Dr. Gerd Kühnen in der Friedensstraße 74 von Simona Nuyts untersucht. Nach drei Jahrzehnten in Kevelaer und 73 Lebensjahren übergibt der Hausarzt seine Praxis.

Es ist Samstagmittag. Dr. Gerd Kühnen hat Notdienst. Erst klingelt das Handy, kurze Zeit später die Türglocke. Im Wartezimmer auf der Friedensstraße 74 nehmen Patienten Platz. Ihr Blick fällt auf das Schreiben an der Wand. "Mit Dankbarkeit und auch mit ein wenig Wehmut verabschiede ich mich" ist dort zu lesen. Nach 32 Jahren in Kevelaer und 73 Lebensjahren hört Dr. Gerd Kühnen auf, Hausarzt für die Kevelaerer zu sein.

"Vom Gewohnten her ist es eine gewisse Überraschung für die Patienten", weiß der Mediziner. Aber die Praxisräume bleiben nicht leer. Am 2. Januar war der erste, offizielle Arbeitstag von Simona Nuyts. Die Fachärztin für Innere Medizin und hausärztliche Versorgung hat den alteingesessenen Arzt bereits drei Monate lang bei seiner Arbeit begleitet, unter anderem auch bei den Hausbesuchen. "Manche Patienten sind auch einfach vorbeigekommen und wollten die neue Ärztin sehen und waren froh, dass es eine Neue gibt", beschreibt die 43-Jährige ihre ersten Zusammentreffen mit den Kevelaerern. Zuletzt hat sie als Fachärztin für innere Medizin in der Rhein-Sieg-Klinik in Nümbrecht gearbeitet, davor drei Jahre als Oberärztin in Thüringen. Eigentlich wollte sie mal Notärztin werden. Aber dann lernte sie ihren Mann kennen und entschied sich für die familienfreundlichere Variante. Mit der Praxisübernahme in Kevelaer ist sie dort angekommen, wo sie hinwill. "Eine Praxis ist viel persönlicher. In der Klinik gibt es 400 Patienten. Es gibt keine Möglichkeit, alle kennenzulernen." In Kevelaer hingegen, mit einem festen Patientenstamm, sei es "wie in einer großen Familie". Zwei Jahre lang hat Dr. Gerd Kühnen nach einer Nachfolgerin gesucht. Dass Ärzte nicht aufs Land wollen, werde in seinen Augen zu groß geredet. Es habe mehrere Anwärter für die Praxis gegeben. Simona Nuyts hätte sich unmittelbar an ihn gewandt. Für sie waren es vor allem persönliche Gründe, nach Kevelaer zu ziehen. Die Nähe zur niederländischen Grenze war so ein Grund. Ihr Mann ist Belgier. Da ist es nicht mehr allzu weit, um Fahrten in seine alte Heimat zu unternehmen.

Ursprünglich stammt die Ärztin aus Rumänien. Den Akzent hört man auch. Dr. Kühnen erzählt, dass er Niederrheiner ist, die Sprache der Menschen spricht und das vieles leichter mache. Ob seine Nachfolgerin Mundart lernen sollte? Dr. Kühnen winkt ab. Für so etwas ist er viel zu pragmatisch. "Sie müssen so sein, wie Sie sind, authentisch", gibt er seiner Nachfolgerin mit auf den Weg und erklärt, worauf es für ihn ankommt. Das Leben als Landarzt berge keine anderen Herausforderungen als die eines Stadtarztes. "Da ist die reine medizinische Seite, die lässt sich nicht wegdiskutieren", sagt er. Für ihn gibt es aber noch die andere, die menschliche Seite, die Empathie mit den Menschen. "Trösten hört sich altbacken an, ist aber eine wichtige Sache, die täglich vorkommt", resümiert er über sein langes Berufsleben. Kein Wunder also, dass an der Eingangstür die Worte "Saluti et solatio aegrorum" stehen. "Heilung und Trost für die Kranken", beschreibt er, worauf es ihm ankommt. Die beiden Sachen waren unter dem Haus des Daches schon seit mehr als 100 Jahren zu finden. Gebaut wurde es 1909 von Dr. Oehmen, auch dessen Sohn arbeitete dort als Arzt. Mit Simona Nuyts geht die Tradition weiter.

(RP)
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