Goch/Kalkar Gocher liest beim Bezirksentscheid

Goch/Kalkar · Jurymitglied beim Regionalentscheid des Vorlesewettbewerbs kann eine ganz schön undankbare Aufgabe sein. Nicht nur, dass man den Fortgang der Bücher, aus denen vorgelesen wird, nicht erfährt, man muss auch Kinder enttäuschen.

 Die Teilnehmer des Vorlesewettbewerbs in Kalkar wurden von einer hochkarätig besetzten Jury (rechts) bewertet.

Die Teilnehmer des Vorlesewettbewerbs in Kalkar wurden von einer hochkarätig besetzten Jury (rechts) bewertet.

Foto: Gottfried Evers

Elf Schulen aus dem Nordkreis Kleve hatten ihre besten Leser ermittelt und diese dann zum Regionalentscheid im Kalkarer Jan-Joest-Gymnasium angemeldet. Auch in diesem Jahr laden wieder die Stiftung Lesen und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zum Wett-Lesen der Sechstklässler ein. Dabei geht es natürlich nicht ums Tempo, sondern um Textverständnis, Lesetechnik und gute Betonung. Wer Schulsieger geworden ist, hat schon eine Menge kleiner und größerer Leute von seinem Können überzeugt. Keine Frage also, dass nur sehr talentierte Vorleser sich der Jury in Kalkar stellten.

Profis in Sachen Text und Sprache hörten sehr genau zu: Buchhändlerin Maria Boßmann, Bücherei-Leiterin Dorothee Hermanns, Grundschullehrerin Wiebke Hendriksen, WDR-Redakteur Ludger Kazmierczak und RP-Redakteurin Anja Settnik. Nach anderthalb Stunden Lauschen war sich die Jury zwar einig, hätte aber zu gerne mindestens drei erste Preise vergeben. Was nicht möglich war, denn nur einer der Schüler kann weiter zum Bezirksentscheid.

Das wird ein Gocher sein, einer, der schon in der ersten Runde des Nachmittags überzeugen konnte, als es um den bekannten, von den Jugendlichen selbst ausgesuchten Text ging. Joel Piskurek vom städtischen Gymnasium Goch hatte sich das ergreifende Buch "Hallo Mr. Gott, hier spricht Anna" ausgesucht. Ein schwieriges Thema (Umgang mit dem Sterben eines Kindes), sehr sensibel aufgearbeitet und in einer Weise vorgetragen, die sowohl bewies, dass da einer mit Wort und Schrift umgehen kann, als auch, dass er mitempfindet. Ohne falsches Pathos traf Joel einen Ton, der die Jury-Mitglieder beeindruckte. Als der Gocher später aus dem Fremdtext ebenso flüssig und mit passender Betonung und im richtigen Rhythmus vorlas, war es nahe liegend, dem sehr konzentriert und zugleich wach wirkenden Jungen zum Sieger zu küren. Wären da nicht Finn Tiemer und Aaliyah Tennagel gewesen, die insbesondere beim Zweittext fast genauso überzeugen konnten. Und dieses den Kindern fremde Buch hatte es in sich. Lehrerin Annette Fischböck, Leiterin der Fachschaft Deutsch am Jan-Joest-Gymnasium, las selbst einen Abschnitt aus "Gregor", einem fantastischen Roman von Suzanne Collins. Zwei Kinder stürzen darin in einen Lüftungsschacht und landen in einer fremden Welt unterhalb von New York City. Dort leben fast durchsichtige Menschen neben riesigen sprechenden Kakerlaken und Fledermäusen. Und wie sich denken lässt, sprechen Kakerlaken anders als Menschenkinder, was die Sache für die Vorleser ganz schön schwierig machte.

Toll zu beobachte: Die Mädchen und Jungen applaudierten nach jedem Beitrag eines "Konkurrenten", hier und da gab es sogar einen ermunternden Schulterklopfer. Zwei der Vorleser waren selbstbewusst genug, während des Lesens auch mal die Zuhörer anzusehen - das kommt gut an und spricht von großer Sicherheit beim Lesen. Zumal der Finger ja immer dezent unter der gerade aktuellen Zeile liegen bleiben kann.

Die Kinder lasen aus "Tintenherz" und "Freak", aus der "Glücksbäckerei", "Urmel aus dem Eis" oder über die erste Liebe - so unterschiedliche Bücher wie die Kinder eben verschieden sind. Alle aber lesen gerne, und das, betonten sowohl Annette Fischböck als auch Schulleiterin Susanne Janßen, ist natürlich das allerwichtigste. Beschenkt mit Urkunden und Büchern fuhren elf Sieger und ein für die nächste Runde Qualifizierter mit ihren stolzen Eltern wieder heim.

(RP)
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